Großformat:Boxer und Damenhutdesigner

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Der Comic-Künstler Reinhard Kleist plant eine Graphic Novel über den schwulen Boxer Emile Griffith. Um sich mit der Figur vertraut zu machen, zeichnet er Skizze um Skizze.

Von Martina Knoben

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(Foto: N/A)

Emile Griffith war Boxer, er war Damenhutdesigner und er war schwul. Ein schillernder, widersprüchlicher Charakter. Im Ring ein gefährlicher Gegner, aber auch ein "sensibler Junge", wie ihn der Comiczeichner Reinhard Kleist charakterisiert. Dass Griffith (auch) Männer liebte, machte ihn angreifbar. 1992 wurde der ehemalige Weltmeister im Welter-, Halbmittel- und Mittelgewicht beim Verlassen einer Bar für Homosexuelle fast totgeprügelt. Und Griffith selbst boxte einen Mann in den Tod. 1961 schlug er im Ring so heftig auf seinen Gegner Benny Paret ein, dass dieser ins Koma fiel und zehn Tage später starb. Vor dem Kampf hatte Paret angeblich "Schwuchtel" zu Griffith gesagt. Dass Reinhard Kleist sich mit diesem Boxer beschäftigen würde, war nur eine Frage der Zeit. Der Berliner Comiczeichner liebt solche zwiespältigen Figuren; in seinen Alben hat er von Johnny Cash, Fidel Castro oder Nick Cave erzählt. Kleist ist außerdem fasziniert vom Boxsport, dem "Underdogsport", wie er ihn nennt, um den herum es so viele Geschichten gebe. Eine davon ist die des jüdischen Boxers Harry Haft, der in Auschwitz zur Belustigung von SS-Offzieren kämpfen musste. Kleist hat sie in seinem Comic "Der Boxer" (2012) aufgeschrieben. Bei den Recherchen dazu erfuhr er von Emile Griffith und war fasziniert: Dessen Geschichte sei "eine Drehbuchleistung des Lebens, da muss man einfach was machen". Bald wollte er alles wissen über Griffith, den Champion, den viele am liebsten vergessen würden. Und er zeichnete ihn, immer und immer wieder. Das große Bild oben entstand nach der Vorlage eines Promotion-Bildes, das kleine rechts ist eine abgezeichnete Kampfszene. Kleist zeichnet Fotos nach, um sich dem Menschen auf dem Bild anzunähern: Wie ist seine Gestik, seine Mimik, die Körperhaltung? "Irgendwann", sagt Kleist, "entwirft man dann seinen eigenen Nick Cave und seinen eigenen Griffith. Man verinnerlicht die Figur und hat es im Gefühl, wie sie agieren und sprechen würde." Das Bild unten ist bereits Fiktion, es zeigt Griffith auf der 42. Straße, unterwegs zu einschlägigen Etablissements. Es wirkt wie mit dem Teleobjektiv gemalt: Vorder- und Hintergrund rücken zusammen. So verschwindet Griffith fast in der Menge, er wirke, als ob er sich "rumdrückt", wie Kleist sagt. Die Aneignung der Person hat begonnen.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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