Gespräch mit "Kraftklub":"Man wird sich wohl noch beklagen dürfen"

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Mit ihrem Song "Ich will nicht nach Berlin" schrieb die Band "Kraftklub" die aktuelle Hymne für Hipster-Hasser - und stieg mit ihrem Debütalbum nun gleich auf Platz eins in die deutschen Charts ein. Ein Gespräch über den Fahrstuhl nach oben, Peinlichkeiten und die Relevanz von Zeitgeist.

Toni Lukic

"Was soll denn an dem Party-Stullen-Programm nicht zu kapieren sein? Das ist anstrengend clevere Atzenmusik für Besoffene. Vorsicht aber: Für einige Gags braucht man einen Schulabschluss." Wumms. So stand das vor kurzem noch in der Musikzeitschrift "Intro" über die Musik von "Kraftklub". Inzwischen ist die junge Band aus Chemnitz über ihren Song "Ich will nicht nach Berlin", einen Auftritt bei Stefan Raab und eine sehr erfolgreiche Deutschland-Tour Ende 2011 noch vor Abschluss eines Plattenvertrages mit Universal so bekannt geworden, dass ihr Debütalbum mit dem schlichten Namen "Mit K" sofort nach Erscheinen am 20. Januar von null auf Platz eins in die deutschen Charts einstieg. Und die ehemals vernichtende Kritik der Musikzeitschrift "Intro" liest sich nun in einer neuen Auflage schon ganz anders: "Chemnitz ist geiler als Berlin, und auf Indiepowerrock passt natürlich eine intuitive Mischung aus Sloganeering und Sprechgesang. Wer das alles noch nicht wusste ("Intro" eingeschlossen), weiß es eben jetzt." Wie lässt sich dieser Aufstieg innerhalb kürzester Zeit verkraften? Ein Gespräch mit dem Frontmann Felix Brummer und dem Gitarristen Steffen Israel.

Süddeutsche.de: Herzlichen Glückwunsch zu Platz eins. Das war zu erwarten, oder?

Felix Brummer: Im Nachhinein haben das alle gesagt. Uns war das überhaupt nicht klar. Wir haben an dem Verkündungstag noch damit geliebäugelt, in die Top 3 zu kommen, aber dass wir vor Adele und Udo Lindenberg einsteigen, hätte niemand von uns geglaubt.

Steffen Israel: Universal hat auch Kalkulationen aufgestellt und uns prophezeit, dass es mit Platz eins wohl nichts werden würde.

Felix: Ich bin überrascht, dass sich die Leute heutzutage überhaupt noch Musik kaufen. Das sind dann wahrscheinlich auch diejenigen, die sich normalerweise eher ein Adele-Album kaufen als die Platte einer jungen Band. Ich frage immer auf Konzerten nach, wer sich die Platte kauft und wer sie sich illegal herunterlädt - und sehr viele melden sich eher bei Letzterem.

Süddeutsche.de: Ihr habt mal gesagt, dass ihr deutsche Popmusik machen wollt, für die ihr euch nicht zu schämen braucht. Muss man sich für deutsche Popmusik schämen?

Steffen: Ich finde, es gibt einfach genug deutsche Pop-Bands, die lächerlich wirken. So meinten wir das und so wollten wir eben nicht auftreten.

Süddeutsche.de: Ihr mixt Indierock mit Deutschrap. Ist das genreübergreifende Konzept gerade die neue Erfolgsformel im Musikgeschäft?

Felix: Stimmt, es ist weniger tabu, eine Mischform zu machen. Aber wir haben uns nicht zusammengesetzt und uns gedacht, wir machen jetzt Mash-up, um Erfolg zu haben. Ich konnte nicht singen, hatte trotzdem Lust mitzumachen, und Sprechgesang war die einzige Ausdrucksform, die ich hatte. Und die Musik, die wir selber gerne hören, haben wir dann gemacht. Als wir mit der Musik angefangen haben, gab es ja auch keine Vorbilder für uns. Da war noch kein Casper, der mit Band auftritt, oder ein Dendemann, der mit Musikern eine Platte macht. Es gab nur ganz schreckliches Crossover-Zeug, was wir einfach peinlich fanden. Und davon wollten wir uns immer distanzieren.

Süddeutsche.de: Habt ihr nicht die Befürchtung, dass ihr in ein paar Jahren nicht mehr relevant seid, weil ihr gerade eine Musik macht, die den Zeitgeist bedient?

Felix: Mein Gott, dann ist man eben nicht mehr relevant. Ich mache dann wieder Partys in Chemnitz und Steffen macht sein Studium fertig. Jedem von uns, der bei Trost ist, wird klar sein, dass dieses Musikding nicht ewig gehen wird. Die Musik, die wir machen, war auch nie dafür gedacht, dass wir davon leben können. Das ist Musik, die von unseren Kumpels gehandelt hat und für unsere Kumpels gemacht war, nur dass sich das jetzt viel mehr Leute anhören. Und wenn das irgendwann nicht mehr interessant ist, dann ist das eben so.

Steffen: Aber ich finde schon, dass die Musik zeitlos ist und wir im Moment nicht nur den Hype bedienen.

Süddeutsche.de: In dem Lied "Zu jung" singt ihr darüber, dass ihr im falschen Jahrzehnt geboren seid und eure Eltern viel mehr erlebt haben als ihr. Was ist so falsch an unserer Zeit?

Felix: Gar nichts ist falsch an dieser Zeit, die Zeit ist sogar ziemlich cool. Man hat viele Freiheiten und genug Möglichkeiten.

Süddeutsche.de: Aber trotzdem beklagt ihr euch?

Felix (lacht): Man wird sich ja wohl noch beklagen dürfen. Na ja, manchmal hat man das Gefühl, dass alles nervt und man ausbrechen will. Aber dann hat man Eltern, die allzu verständnisvoll sind und selber schon so viel erlebt haben. Dann denkt man sich: "Wäre schon ganz geil gewesen, wenn ich 20 gewesen wäre in den frühen Achtzigern." Aber bei nüchterner Betrachtung ist uns natürlich klar, dass wir es viel besser haben als unsere Eltern und Großeltern.

Süddeutsche.de: Versteht ihr euch als Aufklärer über eure Generation?

Kraftklub, das sind die Brüder Felix und Till Brummer, Karl Schumann, Steffen Israel und Max Marschk aus Chemnitz. (Foto: Julian Essink)

Steffen: Eigentlich sind wir nur normale Typen, die sich mit den Dingen beschäftigen, die in uns im Alltag konfrontieren. Wir tragen es nur eben nach außen.

Felix: Wir können auch nichts dafür, dass für manche unser Freundeskreis wie ein Stellvertreter für eine ganze Generation wirkt. Worüber wir singen, sind einfach nur Dinge, die wir in unserem Umfeld erleben. Wären wir in Neukölln aufgewachsen, würden wir vielleicht Gangstarap machen und über eine andere Lebensrealität reflektieren.

Süddeutsche.de: Warum wird "Ich will nicht nach Berlin" gerade in Berlin am meisten gefeiert?

Steffen: Weil der Song auch für Berlin gemacht ist.

Süddeutsche.de: Also für die echten Berliner?

Felix: Für die, die sich für echte Berliner halten, leider auch. Das ist ja das große Phänomen von Hipstern. Die denken ja nie, dass sie die Leute sind, über die wir uns lustig machen. Deswegen werden wir auch von denen gefeiert. Die sagen dann immer: "Endlich spricht es mal jemand aus." Und ich denke mir: "Alter, ich rede von dir." Aber natürlich gibt es auch echte Berliner, die das genauso sehen und die es jetzt gerade nervt, dass sie sich keine Wohnung mehr leisten können, weil die Zugezogenen die Mieten so stark in die Höhe treiben.

Süddeutsche.de: Aber was stört euch denn an den Berliner Zugezogenen? Dadurch, dass ihr in Chemnitz wohnen bleibt, habt ihr doch nichts mit denen zu tun.

Felix: Das war einfach die Zeit, als wir in Berlin waren, den Plattenvertrag unterschrieben haben und das Album aufnehmen wollten. Dafür sollten wir natürlich nach Berlin ziehen. Wir waren da eine Zeitlang und wurden jeden Abend irgendwelchen Medienleuten vorgestellt, die man kennen müsste. Im Prinzip ist der Song durchsetzt von Zitaten solcher Leute, die wir aufgeschnappt haben und die uns gestört haben. Auch weil diese Art so ganz anders ist als die der Menschen, wo wir herkommen.

Süddeutsche.de: Warum habt ihr euer Video zu dem Lied ausgerechnet auf dem Dach des Axel-Springer-Gebäudes gedreht?

Felix: Das ist auch eine Geschichte unserer Eltern: Es gab in der DDR das Gerücht, dass die Rolling Stones ein Konzert auf dem Dach des Axel-Springer-Gebäudes geben. Tatsächlich sind ganz viele Jugendliche an dem Tag zur Mauer gefahren und von der Volkspolizei niedergeknüppelt worden. Wir wollten dieses Konzert 20 Jahre nach der Wiedervereinigung wahr werden lassen. Wir haben dann Kai Diekmann auf die Mailbox gesprochen (lacht). Der hat gesagt: "Klar Jungs, geht in Ordnung." Die Bild-Zeitung und wir sind Buddys. Ich sage ja immer: Man fährt mit der Bild-Zeitung mit dem Fahrstuhl nach oben - und dann bleibt man oben.

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