Ludwigslust (dpa/mv) - Eine kulturgeschichtliche Rarität können Musik- und Architekturliebhaber am kommenden Wochenende in Ludwigslust erleben. In der einstigen Hof- und heutigen Stadtkirche wird am Freitag und Samstag die für die Einweihung der Kirche 1770 erschaffene Musik erstmals in Gänze wieder aufgeführt. Drei Konzerte mit der umfangreichen Komposition des Hofkapellmeisters Carl Westenholtz sind angekündigt.
Möglich machen dies die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, in deren Reihe „Ein Fest für die Ludwigsluster Klassik“ stattfindet, und der Musiker Stefan Fischer. Der Geiger der Mecklenburgischen Staatskapelle beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Musik, die am mecklenburgischen Herzogshof in Schwerin und Ludwigslust komponiert und aufgeführt wurde. Er forscht in Archiven und sorgt immer wieder für die Aufführung von Werken, die lange kaum beachtet dort schlummerten.
Die Kircheneinweihungsmusik von 1770 ragt nach Fischers Worten aus diesen Kompositionen heraus. „Es ist das umfangreichste Werk, das jemals in diesem Land komponiert wurde“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Sechs Choralkantaten erklängen in den drei Konzerten - jeweils zwei und dazwischen eine Art Predigt zu einem Bibeltext. Choralkantaten seien etwas sehr Ungewöhnliches. „So etwas gibt es sonst nirgendwo, das ist unser Beitrag zur europäischen Musikgeschichte.“
Auch der Ort der Aufführung ist einzigartig. Die Hofkirche wurde ebenso wie das Schloss Ludwigslust in einer Zeit europaweiter höfischer Liebhaberei für kunstvolle Dekorationen aus Papiermaché gebaut. Herzog Friedrich (1717-1785) ließ sein Schloss mit vergoldetem Papiermaché prächtig ausstatten, ebenso die Kirche. Die drei Konzerte mit der Kircheneinweihungsmusik erklingen vor der Kulisse des mit 350 Quadratmeter größten Altargemäldes in Europa - gemalt auf mehr als 1000 zusammengefügten Papiermaché-Tafeln.
Gestaltet werden die beiden Konzerttage vom Mecklenburgischen Barockorchester „Herzogliche HofKapelle“ zusammen mit den Solisten Claire Elizabeth Craig und Franziska Zwink (Sopran), dem Tenor Johannes Gaubitz, dem Bass Julian Redlin und dem Norddeutschen Kammerchor. Als Rahmenprogramm gibt es eine Schlossparkführung, einen Vortrag zur Architektur der Kirche sowie Konzerteinführungen. Der NDR zeichnet alle drei Konzerte nach Angaben der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern auf und sendet sie am 5. und 6. November in seinem Rundfunkprogramm NDR Kultur.
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