Oranienburg:Gedenken an Tote des russischen Speziallagers Sachsenhausen

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Blick auf den Eingangsbereich des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen. (Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild)

"Ich habe die Hölle des Krieges und eine schreckliche Zeit danach erlebt. Möge unseren Enkeln und Urenkeln so etwas erspart bleiben" - mit diesen Worten hat...

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Oranienburg (dpa/bb) - „Ich habe die Hölle des Krieges und eine schreckliche Zeit danach erlebt. Möge unseren Enkeln und Urenkeln so etwas erspart bleiben“ - mit diesen Worten hat Karl-Wilhelm Wichmann, ehemaliger Häftling des sowjetischen Speziallagers in Sachsenhausen, an die tausenden Menschen erinnert, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in dem Lager ums Leben kamen.

Zum Gedenken versammelten sich am Sonntag acht ehemalige Häftlinge sowie Politiker und Angehörige der Opfer auf dem Friedhof am ehemaligen Kommandantenhof. Dort ruhen mehr als 7000 Opfer des Speziallagers in Massengräbern. Unter den 120 Gästen waren Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und die Parlamentspräsidenten aus Brandenburg und Berlin, Ulrike Liedtke und Ralf Wieland. Um die Hygiene-und Abstandsregeln wegen der Corona-Pandemie einzuhalten, hatte die Gedenkstätte die Zahl der Gäste begrenzt.

Von 1945 an bis zur Auflösung des Lagers im Frühjahr 1950 hatte der sowjetische Geheimdienst NKWD rund 60 000 Menschen in den Speziallagern Sachsenhausen (Oberhavel) und Weesow (Barnim) inhaftiert - 12 000 von ihnen starben an Hunger und Krankheiten. Die Opfer wurden verscharrt und erst Anfang der 1990er Jahre entdeckt, sagte Horst Seferens, Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Die drei Massengräber seien dann würdig als Friedhöfe umgestaltet worden.

Woidke mahnte, die Erinnerung an das Speziallager wach zu halten. „Viel zu lang wurden die sowjetischen Speziallager nur als angemessene Antwort auf die von Deutschen verübten unvorstellbaren NS-Verbrechen dargestellt“, erklärte er. Zu den Opfern gehörten aber auch viele Unschuldige. „Noch immer fällt es einigen schwer, stalinistische Verbrechen auch als solche zu benennen.“

„Obwohl ich 1990 rehabilitiert wurde, stehe ich hier ohne Hass“, sagte der 1928 geborene Wichmann am Gedenkort. Drei Monate nach seiner Verhaftung in Greifswald war er am 27. Juni 1946 wegen antisowjetischer Äußerungen von einem sowjetischen Militärtribunal zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Vom Speziallager in Torgau kam er im Sommer 1948 ins sowjetische Speziallager in Sachsenhausen. Am 25. Januar 1950 wurde er an die DDR übergeben und am 17. Januar 1954 aus dem Gefängnis in Torgau entlassen. Nach seiner Gedenkrede überreichte Wichmann Woidke ein Exemplar seiner nicht veröffentlichten Autobiografie.

In dem sowjetischen Speziallager, das sich im Kernbereich des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen befand, waren nach Angaben der Gedenkstätte vorwiegend Funktionäre des Nazi-Regimes inhaftiert, aber auch Mitarbeiter aus Verwaltung, Polizei, Justiz und Wirtschaft sowie SS-Personal aus den Konzentrationslagern. Unter den Häftlingen befanden sich zudem politisch Missliebige und auch willkürlich Verhaftete sowie von sowjetischen Militärtribunalen Verurteilte, darunter Männer und Frauen, NS-Belastete und Unbelastete.

„Über die meisten Gefangenen wissen wir allerdings wenig“, sagte Stiftungsdirektor Axel Drecoll. Die Gedenkstätten Sachsenhausen und Buchenwald hätten daher Forschungsanträge eingereicht, um die Wissenslücken zu schließen.

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