Garri Kasparow bei "Beckmann":Ein russischer Held - chancenlos, aber unbeirrbar

Lesezeit: 2 min

Garri Kasparow, einst Schach-Wunderkind, ist heute entschiedener Gegner von Präsident Putin. Jetzt trat er bei "Beckmann" auf - nachdem er bei "Sabine Christiansen" keine Chance bekam.

Sonja Zekri

Zwischendurch blitzt es doch noch auf, dieses Energische, Unbedingte, vielleicht sogar: Arrogante. Wenn Reinhold Beckmann von der "politischen Apathie" in Russland spricht und davon, dass es bis heute keine Bürgerbewegung gibt.

Da fällt Garri Kasparow ihm ins Wort und ruft: "Falsch!". Russland sei kein stabiles Land, die Menschen unzufrieden, 85 Prozent der Russen profitierten nicht vom Aufschwung, der wirtschaftliche Kollaps sei nur eine Frage des fallenden Ölpreises. Oder wenn die ARD-Korrespondentin Ina Ruck mit Bedauern sagt, sie glaube nicht, dass es der Opposition gelingen werde, etwas an den Wahlen zu ändern.

Da herrscht Kasparow: Was sie da meine, die Wahlen ändern? Er, Kasparow, will ja nicht die Wahlen ändern, sondern das Ergebnis: Er will Präsident Wladimir Putin stürzen. "Ein Monat Fernsehen ohne Zensur - und es wird das Regime nicht mehr geben", sagt er.

Aber noch gibt es sie. Noch werden die Kundgebungen der bunt gescheckten Oppositionsbewegung "Vereinigte Staatsbürgerliche Front" von der Staatsmacht brutal niedergeschlagen, noch kommt - wie kürzlich in Sankt Petersburg - auf 8000 Demonstranten ein absurd großes Aufgebot an Sicherheitskräften, noch wird Kasparow von den staatlichen Medien so gehorsam totgeschwiegen, dass man diesen Aufwand schon als Kompliment begreifen muss, um nicht zu verzweifeln.

Ausmistung des Augiasstalls

Das frühere Wunderkind Kasparow, einst der jüngste Schachweltmeister aller Zeiten und für viele bis heute der Champion, ist vor zwei Jahren vom Schachbrett in die Politik gewechselt. Und obwohl er, wie Beckmann einmal, zweimal, dreimal betont, sonst ja eigentlich immer antritt, um zu gewinnen, obwohl er gerade ein Buch voller Anleitungen geschrieben hat, die man aus dem Schach für das Leben lernen kann ("Strategie und die Kunst zu leben", Piper-Verlag), weiß Kasparow, dass der Sieg in der Politik anders als im Schach eine relative Angelegenheit sein kann.

Ob er sich denn zutraue, "das Land zu führen", fragt Beckmann, ob er also als Kandidat der Opposition gegen Putin 2008 antreten werde, und Kasparow sagt, hier gehe es nicht um die erste oder zweite Reihe, sondern darum, das Land "vor einem Desaster zu retten."

Wie das genau geschehen soll und vor allem: was danach passiert, wenn das Wunder vollbracht ist und der Augiasstall Kreml gereinigt ist, darüber konnte Kasparow allerdings kaum mehr als einige vage Andeutung machen (Macht des Präsidenten einschränken, Legislative neu organisieren, Parlament stärken.).

Es ist ein einsamer, heldenhafter Kampf, den Kasparow und seine Mitstreiter führen, und seine einsame Heldenhaftigkeit wird nur noch gesteigert durch seine geradezu apokalyptische Einschätzung der Lage Russlands, die sich nicht nur von jener der meisten Russen unterscheidet, sondern auch von der Ina Rucks, so dass sich die inzwischen ausgesprochen seltene Situation ergab, dass eine deutsche Journalistin auf die positive Entwicklung des Landes hinweisen musste.

Für die russische Opposition ist es nichts Neues, dass hohe Ziele und leidenschaftlicher Einsatz im umgekehrten Verhältnis zur politischen Durchschlagskraft stehen.

Viel Hoffnung für 2008 macht es nicht. Garri Kasparow - ein russischer Patriot - chancenlos, aber unbeirrbar.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: