"Freibad" im Kino:Platsch!

Lesezeit: 3 min

Es könnte so schön sein - wenn in Doris Dörries Frauenfreibad nicht ständig jemand unnötig sticheln und überempfindlich reagieren würde. (Foto: Constantin Film)

Wer darf was im Becken tragen, und darf man hier jetzt auch selbst grillen? Doris Dörries Frauenfreibad ist ein komischer Spiegel der westlichen Welt, in der keiner mehr irgendetwas hinnimmt.

Von Susan Vahabzadeh

Am schönsten ist das Freibad in der Nacht, wenn das Wasser menschenfrei im Mondschein glitzert und nur die Gummitiere friedlich auf seiner Oberfläche schaukeln. Tagsüber ist es mit friedlich eher Essig. Zu viele Menschen.

Doris Dörries "Freibad" spielt in Deutschlands einzigem Frauen-Freibad, es gibt in Freiburg tatsächlich eines mit einem Bereich nur für Damen, aber das im Film hat sie sich schön ausgedacht. Auf der Wiese regieren zunächst einmal zwei nicht mehr ganz junge Damen, die Freundinnen Eva ( Andrea Sawatzki) und Gabi (Maria Happel), die schon sehr lange ins Freibad kommen und es nur mittellustig finden, wenn jemand ihnen ihre Stammliegen abspenstig macht. Gegenüber residiert die gesamte weibliche Verwandtschaft von Yasemin (Nilam Farooq), was nur gutgeht, solange die nicht anfangen, sich die Lammwürstchen zu grillen, die der Kiosk nicht im Angebot hat. Yasemin selbst hält sich von ihrer Familie fern - ihre Mutter, ein klassischer Normalo, versteht nicht recht, warum sich die Tochter neuerdings in einem schwarzen Ganzkörperanzug mit Kapuze im Schwimmbad präsentiert. Jedenfalls geht nun schon das Gerangel los: Wer darf was im Becken tragen, darf man hier jetzt auch selbst grillen? Irgendwann stehen ein paar etwas angetrottelte Polizisten am Beckenrand. Die Damen geben ihr Bestes, Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina) in den Wahnsinn zu treiben. Die findet nämlich, dass hier überhaupt nur einer was zu melden hat: sie. Sie schmeißt hin, platsch! Und wird durch einen Mann ersetzt, der einem streckenweise vorkommt wie eine Antilope im Raubtiergehege.

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Das Drehbuch hat Doris Dörrie zusammen mit Karin Kaçi und Madeleine Fricke geschrieben, und sie hat jede dieser Figuren liebevoll gestaltet - die coole Steffi mit ihrem Schwyzerdütsch, Eva, die mal ein Schlagerstar war und deren Leben so gründlich danebenging, dass es kein Wunder ist, dass sie sich mit dem Altwerden schwertut; die süße pummelige Paula, der endlich mal jemand sagt, dass sie hinreißend ist, aber leider auf Arabisch, was sie nicht versteht. Keine dieser Frauen ist böse - manchmal sind sie aber boshaft. Und die Mischung aus überflüssiger Stichelei und übertriebener Empfindsamkeit, die manchmal in derselben Person zusammenfindet, fliegt ihnen dann irgendwann um die Ohren.

"Freibad" zu einer politikwissenschaftlichen Arbeit zu verklären, täte dem Film unrecht

Freiheit, davon handelt Evas größter Hit, der zu ihrem Frust täglich als Rausschmeißer gespielt wird - das ist genau das, was sie nicht können. Freiheit wäre minimales Regelwerk bei gleichzeitiger Rücksichtnahme, aber leider sind hier hundert zartbesaitete Egos am Werk. Bestes Beispiel ist der Handlungsstrang mit den Würstchen: Klar ist es mies, nur Schweinswürstchen anzubieten; die Nachbarliege im Eigengrillverfahren vollzuqualmen ist aber auch nicht so toll; und als es endlich am Kiosk Lammwürstchen gibt, werden sie erst von den Lammwürstchenfreundinnen gegessen, als die Schweinswürstchen zur Gänze vom Grill vertrieben sind. Wie schön könnte die Welt im Allgemeinen und das idyllische Freibad im Besonderen sein, würden sich nicht alle für jede Nichtigkeit auf einer endgültigen Position verschanzen. Für den Würstchenkulturkonflikt hat Dörrie eine endgültige, appetitliche Lösung parat, die auch noch klimaschonend ist. Doris Dörries Frauenfreibad ist ein komischer Spiegel der westlichen Welt: Alle sind gut im Austeilen, keiner nimmt irgendwas hin. Ein frauenspezifisches Problem ist das allerdings nicht.

Doris Dörrie hat einen herrlich unverstellten Blick auf ihre Mitgeschöpfe: Nilam Farooq als Yasemin (l.) und Julia Jendroßek als Paula. (Foto: Mathias Bothor/Constantin/dpa)

"Freibad" zu einer politikwissenschaftlichen Arbeit zu verklären, täte dem Film ohnehin unrecht. Doris Dörrie, bei der man immer den Eindruck hat, dass sie sich ein Recht auf einen Rest von Naivität hart erarbeitet und erkämpft hat - scheint eher zu sagen: Alle mal locker machen, bitte. Und das zeichnet "Freibad" wirklich aus: Doris Dörrie hat einen herrlich unverstellten Blick auf ihre Mitgeschöpfe, liebevoll, aber nicht blind für deren Fehler. Warum genau Yasemin den schwarzen Ganzkörper-Schwimmanzug anhat - da analysiert sie nicht lang rum, aber begeistert ist Yasemin dann nicht, als eine Truppe gutsituierter Araberinnen mit Designertäschchen eine Burkini-Inflation auslöst und ihr Alleinstellungsmerkmal dahin ist.

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Reicht das für eine großartige Komödie? Nicht direkt, irgendwann gehen einem die Kämpfe ums Terrain auf den Geist, und das soll vielleicht auch so sein, denn dann fällt einem vielleicht auf, wie enervierend das in der Wirklichkeit ist. Für einen unterhaltsamen, nachdenklichen, aber nicht allzu tiefschürfenden Film reicht es allemal. Doris Dörrie ist zwar mit einer Komödie bekannt geworden, aber einige ihrer schönsten Filme sind keine Komödien. "Kirschblüten - Hanami" etwa, oder "How to cook your life". "Freibad" ist nicht annähernd so krawallig und klamaukig, wie der Trailer vermuten lässt - manchmal wird der Film ganz ruhig, sentimental, fast friedlich. Sogar mit Menschen.

Freibad , D 2022 - Regie: Doris Dörrie. Drehbuch: D. Dörrie, Karin Kaçi, Madeleine Fricke. Kamera: Hanno Lentz. Mit: Andrea Sawatzki, Maria Happel, Nilam Farooq, Melodie Wakivuamina, Samuel Schneider. Constantin, 102 Minuten. Kinostart: 1. September 2022

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