Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

In "Gemini Man" wird Will Smith von einer jüngeren Version seiner Selbst gejagt. "Skin" überzeugt nicht gerade durch Dramaturgie - sondern vor allem durch Hauptdarsteller Jamie Bell.

Von den SZ-Kinokritikern

Ama-San

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(Foto: Steppenwolf)

Die japanischen Ama-San sind Taucherinnen, die Abalonen und anderes Meeresgetier aus dem Pazifik holen. Die portugiesische Regisseurin Cláudia Varejão beobachtet drei von ihnen, in schönen, fast meditativ ruhigen Bildern. Kühl, still und geheimnisvoll ist die Welt unter Wasser; routiniert und grazil bewegen sich die Frauen darin, ohne Sauerstoffgerät, minutenlang halten sie die Luft an bei ihrer Jagd. Es wird nichts erklärt in dieser Doku, keine Dringlichkeit behauptet. Aber was könnte aktueller sein als dieses Bild von Weiblichkeit, von heiterer Souveränität in einem wirklich harten Job?

Barstow, California

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(Foto: jip film & verleih)

Eine kalifornische Kleinstadt in der Mojave-Wüste. Rainer Komers filmt die Menschen, die Landschaft, die Züge. Dazu erzählt der schwarze Schriftsteller Spoon Jackson, der hier aufwuchs und seit 1978 eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, von einem Leben voller Gewalt und Gemeinschaftsgeist. Großartiges, vielschichtiges Porträt eines ewigen Ortes, einer vergangenen Zeit und einer verlorenen, aber zähen Gesellschaft.

Datsche

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(Foto: UCM.ONE)

Welch illustres Publikum den Sommer in einem Brandenburger Schrebergartenidyll verbringt! In Lara Hewitts etwas ungelenkem Versuch, einer Cultureclash-Komödie politische Brisanz einzuhauchen, treffen ein paar internationale Couchsurfer auf stramme Heimatverehrer, skurrile Spießer auf einen untergetauchten Asylbewerber. Mit dem Sommer endet der Film, dessen Figuren undurchschaubar bleiben und dessen Aussage sich irgendwo zwischen Nazinachbar und Hippieparty verliert.

Deutschstunde

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(Foto: epd)

Die Frage nach den Freuden der Pflicht. Und das Dilemma der Lachmöwen im Dienst. Eine Neuverfilmung, fünfzig Jahre nach Erscheinen, des großen Romans von Siegfried Lenz, von Christian Schwochow, nach dem Drehbuch seiner Mutter Heide. Ein Nordseedorf, während des Zweiten Weltkriegs. Die Leiden des jungen Siggi, der den Maler Nansen (Tobias Moretti) verehrt,und mag, aber ihn - Berlin hat ihm ein Malverbot verpasst - auch mit bespitzeln soll im Auftrag seines Vaters, des Dorfpolizisten (Ulrich Noethen).

Enzo und die wundersame Welt der Menschen

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(Foto: Twentieth Century Fox)

Fängt an wie ein Rührstück, endet wie ein Rührstück, ist aber dazwischen ein überraschend liebenswerter Spielfilm, in dem ein Golden Retriever sein Leben erzählt. Oder besser, das seiner Familie: eines Rennfahrers, der seine Rennen gewinnt, aber seine Frau verliert, und sein Kind fast dazu. Regisseur Simon Curtis traut sich vorzuführen, dass hinter der Grenze zum Kitsch noch viel Unterhaltungswert wohnt.

Eine ganz heiße Nummer 2.0

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(Foto: Constantin Film Verleih GmbH)

Den schnellen Draht zur Triebabfuhr gibt es nicht mehr in Rainer Kaufmanns Fortsetzung der bayerischen Telefonsex-Komödie aus dem Jahr 2011. Heute spielt sich alles im Internet ab, das gibt es aber auch nicht im fiktiven Ort Marienzell. Also müssen die Stöhnmamsellen von damals noch einmal ran, mit dem Preisgeld eines Tanzwettbewerbs wollen sie das schnelle Netz ins Bayerwalddorf holen. Damit die Männer endlich ruckelfrei Pornos streamen können? Die Story ruckelt mindestens genauso, den drei spielfreudigen Hauptdarstellerinnen schaut man aber nach wie vor gern zu.

Gemini Man

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(Foto: Paramount Pictures)

Henry (Will Smith), Auftragskiller in Regierungsdiensten, mag keine Spiegel - bis er es eines Tages mit einem ganz besonderen zu tun bekommt. Gerade will er sich zur Ruhe setzen, da wird er von einer jüngeren Version seiner selbst gejagt. Ang Lee zeigt in seinem neuen, virtuos inszenierten Film die amerikanische Kriegskultur als virtuelle Spektakelwelt, in der aber selbst der digitale Killer-Klon, wie alle Wesen, eine Seele hat.

In The Tall Grass

8 / 15
(Foto: Netflix)

Eine schwangere Frau und ihr Bruder hören am Rande eines mannshohen Grasfeldes einen kleinen Jungen um Hilfe rufen. Sie folgen den Hilfeschreien in das Feld, nur um festzustellen, dass es keinen Weg zurück gibt. Dann finden sie die Leiche eines Hundes ... Vincenzo Natalis Film beruht auf einer Kurzgeschichte von Stephen King und Joe Hill und erschafft eine sehr eigene, surreale Welt. Sie entspricht dem, was der klischeedeutsche Schrebergärtner fürchtet, wenn er seinen Rasen nicht alle drei Tage mäht. Wer hat noch einmal behauptet, Grün sei eine beruhigende Farbe? (Auf Netflix ab 4. 10.)

The Laundromat - Die Geldwäscherei

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(Foto: Claudette Barius/Netflix)

Deine Mutter wurde gezeugt unter einem papierenen Schirm, erzählt Ellen fröhlich ihrer Enkeltochter, und auch eine Menge Mai Tais haben dabei mitgewirkt. Ellen wird verkörpert von Meryl Streep, ihre Geschichte ist eins der vielen kleinen Schicksale, über die Steven Soderbergh in seinem Netflix-Film das absurde, zynische, unfassliche Geschehen um Scheinfirmen und Steuervermeidung illustriert, das in der SZ-Investigation um die Panama Papers aufgedeckt wurde. Auch die Anwälte Jürgen Mossack und Ramón Fonseca sind dabei, verkörpert von Gary Oldman und Antonio Banderas, die all die emotionalen kleinen Schicksale sinnlos kabarettistisch aufwirbeln. (In ausgewählten Kinos, ab 18. Oktober auf Netflix)

Memory Games

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(Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Ein Film der wundersamsten Verwandlungen - wie zum Beispiel aus der Zahl 1240 plötzlich ein Tyrannosaurus Rex wird. Mit solcher Fantasiearbeit schaffen es Menschen, gewaltige Zahlenmengen, Kartenreihen oder Personendaten in ihrem Gedächtnis zu speichern und diese auf Aufforderung wieder aufzusagen. Janet Tobias folgt einigen dieser Gedächtniskünstler in Wettbewerbe und auf die Bühne (oder in den Himalaja) und, mithilfe bunter Computeranimationen, in die Gänge ihrer "Memory Palaces". Besonders beeindruckend: Wie einer einen Rubikwürfel in Ordnung bringt - ohne hinzugucken. Der Film ist verblüffend und tröstend zugleich. That memory, wird Shakespeare zitiert, the warder of the brain, der Wächter des Gehirns.

Normal

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(Foto: missingFilms)

Ein Zauberer zersägt vor Publikum eine Frau, faltet ihren Körper zusammen, lässt ihren Kopf brennen. Schwer vorstellbar, dass das mal umgekehrt passiert. Ein kleines Mädchen bekommt beim Ohrlochstechen Komplimente für Tapferkeit und Lieblichkeit, während anderswo kleine Jungs beim Minimotorradrennen aufs Gasgeben getrimmt werden. Und beim Ehevorbereitungskurs erfahren die jungen Bräute von den Pflichten in Küche, Kinderzimmer und Ehebett. Adele Tulli sammelt Vignetten zum alltäglichen Chauvinismus Italiens und findet recht viel. So reizvoll es ist, dass sie die Gedanken nicht durch Kommentare lenkt, so beliebig scheinen doch die Beiträge.

Skin

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(Foto: 24 Bilder)

Der einstige Kinderstar Jamie Bell spielt mit beeindruckend Präsenz und kahlrasiertem Schädel den Ziehsohn eines überzeugten US-Neonazi-Clans: Aber Bryon Widner will aussteigen aus diesem Leben zwischen Hass und Gewalt, das sich auch auf seiner Haut manifestiert. Wie langwierig und schmerzhaft die Entfernung der White-Supremacy-Tattoos ist, und viel mehr noch der Abschied aus dem einzigen Dasein, das man je gekannt hat, davon erzählt der israelische Regisseur Guy Nattiv in seinem englischsprachigen Debüt: dramaturgisch bisweilen etwas holprig, vor allem dank Bell aber elektrisierend.

Ugly Dolls

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(Foto: Courtesy of STXfilms)

Die Bewohner von Uglyville sind eigentlich ziemlich zufrieden. Sie haben Spaß und halten zusammen. Das findet auch Moxy, trotzdem will sie raus in die große Welt - und ein Kind finden, das sie lieb hat. Den Einzug ins Kinderzimmer haben die Uglydolls in der Realität längst geschafft. Bei Kelly Asbury müssen die kleinen bunten Plüschmonster erst noch beweisen, dass es nicht nur aufs Äußere ankommt. Das gelingt - aber da bei jeder Gelegenheit gesungen wird, hat der Animationsfilm auch seine Längen.

We Have Always Lived in the Castle

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(Foto: Bernard Walsh; Kinostar Filmverleih GmbH)

Die 18-jährige Merricat Blackwood (Taissa Farmiga) lebt mit ihrer älteren Schwester Constance (Alexandra Daddario) in einem alten Schloss. Die Eltern sind tot, Constance soll sie umgebracht haben. Zumindest glauben das die Leute in der Stadt, wo die Schwestern verhasst sind. Dann taucht auch noch ein Cousin auf, der dem toten Vater ähnlich sieht. Stacie Passon hat Shirley Jacksons Mystery-Roman aus dem Jahr 1962 verfilmt. Das Ergebnis ist voll mit schrägen Gestalten, Spannung kommt aber nicht wirklich auf.

Zwischen uns die Mauer

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(Foto: Kevin Lee Film)

In den besten Momenten erinnert Lea Freund an Sophie Marceau in "La Boum 2", in deren Blicken, Freuden- und Enttäuschungstränen sich die ganze Bipolarität des Lebens ablesen ließ. Die Achtzigerjahre und der herrliche Mist junger, schwieriger Liebe prägen auch Norbert Lechners Verfilmung des autobiografischen Romans von Katja Hildebrand. Dabei erweist sich die Newcomerin Freund an der Seite von Tim Bülow als große Entdeckung. Der Inhalt ist so simpel wie fesselnd: Zwei Teenager verlieben sich unsterblich, sie aus dem Westen, er aus dem Osten. Bis die Mauer fällt, tun Stasi, Eltern und Grenzschützer, was sie tun müssen. Das hat mitunter ein paar Längen, ist aber schön in Szene gesetzt.

© SZ vom 2./3.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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