Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

"Dogman" von Matteo Garrone ist eine düstere Parabel über die Monster in unserer Mitte. Sönke Wortmanns "Der Vorname" hingegen gleicht einer "Anne Will"-Sendung. Die Filmstarts der Woche.

Von den SZ-Kinokritikerinnen

Blame - Verbotenes Verlangen

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(Foto: 2018 Alpha Centauri Studios)

Wenn ein junge Schauspielerin einen Film über eine junge Schauspielerin dreht und selbst die Hauptrolle spielt, würde man vermuten, dass es in dem Film ziemlich viel um die Hauptfigur geht. Ganz anders bei der 23-jährigen Quinn Shepard: Da lernen wir ständig Neues über die intrigante Konkurrentin, mit der die schauspielernde Schülerin sexuell um einen Lehrer buhlt, über den Lehrer, sogar über die Freundinnen der Konkurrentin. Mit bemerkenswert ruhiger Hand verschiebt die junge Regisseurin unseren Blick auf diese Figuren, über denen eine geheimnisvolle Traurigkeit liegt. Tolles Debüt!

Champagner & Macarons

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(Foto: Tiberius Film Guy Ferrandis - SBS Films)

Ein schönes kleines Genrestück aus Frankreich, melancholisch und boshaft, manchmal chaotisch und überdreht. Das Genre ist das Jaoui-Bacri-Kino. Filme, die das Paar Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri zusammen machen, seit "Lust auf Anderes" vor fast zwanzig Jahren, sie schreiben das Drehbuch und spielen (für und gegen einander) und Jaoui inszeniert. Als TV-Produzentin weiht sie ihr Haus auf dem Land ein, Bacri ist einer ihrer Starmoderatoren. Es gibt alle möglichen Probleme, die alten - Nachbarn, die sich über den Lärm beschweren - und neue - die schreckliche Selfiesucht. Auch den Leiden eines Chauffeurs wird wieder gebührende Aufmerksamkeit gewidmet.

Dogman

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(Foto: dpa)

In einer süditalienischen Kleinstadt lässt sich ein sanftmütiger Hundefriseur (Marcello Fonte) von einem boshaften Ex-Mafioso tyrannisieren, um ihm am Ende dann doch ein bisschen Widerstand zu leisten. Matteo Garrones auch in Cannes gezeigter Film ist weniger Stellungnahme als Symptom einer passiven, paralysierten Gesellschaft, die sich von Neofaschismus und brutalem Maskulinismus zerquetschen lässt.

Franco vor Gericht

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(Foto: Dietmar Post / playloud.org)

Mehr als 40 Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur haben spanische Politik und Justiz kein Interesse an einer Aufarbeitung. Eine argentinische Untersuchungsrichterin will dem Schweigen ein Ende bereiten. Opfer und Angehörige sprechen über Folter und unbestrafte Verbrechen, eine Verhandlung scheint aber unmöglich. Nüchtern dokumentieren die Regisseure Dietmar Post und Lucía Palacios die Gespräche. Das Geschehene ist bedrückend genug.

A fábrica de nada

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(Foto: Vasco Viana)

Als sich die Chefs einer portugiesischen Aufzugsfirma aus dem Staub macht, besetzen die Arbeiter die Fabrik. Während sie sich sorgen, wie sie ihre Familien ernähren werden, will sie ein Filmemacher als Vorreiter einer gerechteren Arbeitswelt inszenieren. Der eigentliche Regisseur des Films, Pedro Pinho, packt viele Ideen in sein Dreistundenwerk: Milieustudie, Diskursfilm, Sozialdrama mit Musicaleinlage - es soll alles zugleich sein und bleibt doch eine zähe Angelegenheit mit einer Vielzahl Figuren, die nie recht Kontur gewinnen.

Girl

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(Foto: dpa)

Großartiger Film des jungen belgischen Regisseurs Lukas Dhont über Lara (Victor Polster), eine sechzehnjährige Ballettschülerin, die kurz vor dem Abschluss ihrer Geschlechtsumwandlung zur Frau steht. Die Transition ihres Körpers und das Tanzen greifen ineinander und bilden ein Gesamtkunstwerk in ständiger Bewegung, im ständigen Übergang. Dafür gab es in Cannes zurecht die Caméra d'Or für den besten Erstling.

Die Gentrifizierung bin ich

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(Foto: GM Films)

Die Wohnungsnot ist groß, auch bei Schweizer Rundfunkjournalisten mit dickem Erbe. Der Filme- und Spaßmacher Thomas Haemmerli hat einen als Gentrifizierungs-Doku getarnten Film über sich selbst gedreht. Am Beispiel seiner vielen, über den ganzen Globus verteilten Immobilien stellt er die bahnbrechende These auf, als reicher Europäer möglicherweise ein Teil des Wohnungsproblems in den Metropolen zu sein. Was hier als Eigenkritik verkauft wird, ist zynische Selbstgerechtigkeit. In billigen Montagen macht er sich über alles und jeden lustig: Linke, Rechte, Arme, Reiche. Alles Deppen, außer Haemmerli. Dabei filmt er etwas zu oft in Kloschüsseln und Frauen in den Schritt.

The Guilty

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(Foto: Nikolaj Møller)

Der Polizist Asger (Jakob Cedergren) hat ein Ermittlungsverfahren am Hals, bis zur Klärung vor Gericht muss er Strafdienst bei der Notruf-Hotline machen. Durch den Hilferuf einer entführten Frau erwachen auch dort seine Jagdinstinkte, aber seine einzige Waffe ist das Telefon - der Film wird die Kommandozentrale nie verlassen. Wie man trotz dieser kühnen Beschränkung einen spannenden Thriller über schnelle Urteile, wahre und falsche Täter und die Qual der Schuld machen kann, zeigt der dänische Newcomer Gustav Möller ziemlich bravourös.

Johnny English - Man lebt nur dreimal

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(Foto: dpa)

Theresa May ist not amused. Ihr Topagent Johnny English hat Mist gebaut, jede Menge Mist, die Liste ist unendlich lang, Explosionen inklusive. Emma Thompson ist Theresa May in diesem Film von David Kerr, Rowan Atkinson ist Johnny English, zum dritten Mal tritt er an, um ein paar dubiosen Figuren und feindlichen Agentinnen Kontra zu bieten. Die Formel funktioniert noch immer, und mit Rowan Atkinson ist der Slapstick elegant und vornehm geworden.

Krystal

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(Foto: dpa)

Ein Coming-of-Age in einem Städtchen im amerikanischen Süden, ein junger Bursche, der viel lernen kann von einer alten Frau. Taylor (Nick Robinson) hat Probleme mit dem Herzen. Er verguckt sich in das Mädchen Krystal, folgt ihr in eine Versammlung der Anonymen Alkoholiker. Rosario Dawson ist Krystal, sie ging einst auf den Strich und sorgt nun für ihren gelähmten Sohn, und wird doch von ihrer Vergangenheit ständig gezwickt. Taylors Vater ist William H. Macy, der zappelige Typ aus "Fargo" und "Magnolia", er hat auch Regie geführt. Der große Ruhepunkt des Films ist Kathy Bates. Sie hat eine Galerie, Taylor arbeitet für sie und sie gibt ihm einiges weiter an Lebens- und Sterbeweisheit.

Mario

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(Foto: Pro-Fun)

Ausgerechnet der Neue im Team des Berner U21-Fußballclubs ist es, in den sich Mario (Max Hubacher) verliebt. Beide sind Stürmer, ein "Traumpaar", witzelt Marios Vater, der seinen Sohn in die erste Liga aufsteigen sehen will. Um das zu erreichen, muss sich Mario entscheiden zwischen Liebe und Karriereambitionen. Denn Homosexualität im Profifußball gilt immer noch als Tabu. Marcel Gisler ist einer der ersten, der sich dem brisanten Thema mit einem Spielfilm nähert. Die Handlung aber ist arg konstruiert, der Film eine dialoglastige Predigt. Man wünscht sich mehr von den Blicken zwischen den Hauptdarstellern und ihrem Gefühlskampf - und weniger repetitive Debatten.

Nanouk

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(Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Alles scheint wie immer: das Eis, der Hundeschlitten, Fischen und Jagen, die Jurte aus Rentierfellen, in denen Sedna und Nanouk, ein altes Ehepaar vom Volk der Ewenken, leben. Dabei ist längst alles anders geworden: Flugzeuge fliegen über den Schlitten hinweg; der Frühling kommt jedes Jahr schneller; und die Tochter der Alten lebt in der Stadt. Milko Lazarov zeigt in Anlehnung an den Dokumentarfilmklassiker "Nanuk, der Eskimo" (1922) das Leben am Polarkreis - es ist ein Film der Erinnerungen und des Abschieds geworden, mit überwältigenden Naturaufnahmen und einem tieftraurigen Grundton: Sedna und Nanouk erscheinen als die Letzten ihrer Art.

Ritter Trenk op Platt

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(Foto: Universum Film)

Seine Familie lebt in Armut und muss das wenige, was sie hat, an den bösen Wertolt abgeben. Um sich dagegen zu wehren, will der Bauernsohn Trenk Ritter werden. Vor ein paar Jahren war Anthony Powers' Verfilmung des Abenteuers des sympathischen Kinderbuchhelden aus den Büchern von Kirsten Boie schon einmal im Kino. Ein Verein, der sich dafür engagiert, dass Schüler Plattdeutsch snacken, hat den Trickfilm jetzt neu synchronisiert. Dank der Bilder haben auch Nicht-Platt-Muttersprachler die Chance, etwas zu verstehen.

Der Vorname

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(Foto: Constantin Film/dpa)

Adolf - so wird man seinen Sohn doch noch nennen dürfen! Der schnittige Unternehmer, um dessen angekündigten Nachwuchs es geht, findet das subversiv, der Literaturprofessor tobt rotweinschwenkend, seine Frau holt zur Besänftigung den Nachtisch aus der Küche und die Schwangere geht eine rauchen. In dem (ursprünglich französischen) Stoff über ein zerstrittenes Abendessen im Familienkreis stecken aktuelle Fragen zur Positionierung der bürgerlichen Kultur gegenüber den Neuen Rechten, und so inszeniert Sönke Wortmann ihn streckenweise auch: Wie eine erzählerisch illustrierte Anne Will-Sendung.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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