Festival:Vogelwild in Vorarlberg

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Anarchisch, witzig und virtuos: Jazzgeiger Théo Ceccaldi (vorne rechts), der seine neue Band "Freaks" genannt hat. (Foto: Alexandre Jeanson)

Bei "Bezau Beatz" bereichern innovative Jazzkünstler aus aller Welt die Alpenidylle um kräftige Farben

Von Oliver Hochkeppel

Der Bregenzerwald in Vorarlberg ist vom südlichen Bayern aus gesehen nicht weit weg - aber abgelegen. Nur zwei kleine Bundesstraßen, die eine von Oberstaufen, die andere von Dornbirn, führen dorthin. Ist man aber angelangt, bezaubern einen sofort nicht nur die idyllische Alpenlandschaft, sondern auch die Tradition und Moderne außergewöhnlich versöhnende Architektur. Mischt man sich unter die Leute, merkt man schnell, dass jeder zweite Bauer, Handwerker oder Angestellter zugleich auch Architekt, Musiker, Bildhauer oder Theatermensch ist. Ein Künstlervolk also, was wohl auch mit der Lage im Dreiländereck zusammenhängt. So ist auch Alfred Vogel nicht nur der - eingeheiratete - Hausherr (und Sporttrainer) im grandiosen Hotel Post in Bezau, er ist auch einer der besten Jazzschlagzeuger Europas, mit eigenem Studio und Label.

Und eigenem Festival, das sozusagen ein Ersatz dafür ist, dass Vogel - obwohl er immer noch in mehreren Bands sitzt - wegen seiner Doppelfunktion nicht mehr so oft in die großen Jazzmetropolen reisen kann wie früher. Deshalb holt der Herr der Beats seit 13 Jahren die Welt zu den "Bezau Beatz", nach dem Motto: "Vor lauter Schönheit und Ruhe, die uns umgibt, vergessen wir hier manchmal, dass da draußen einiges los ist." Aus aller Herren Länder waren schon Musiker da, um an drei Tagen im August in der wie dafür geschaffenen Lok-Remise der Museumsbahn "Walderbähnle", aber auch in einem ehemaligen Sägewerk, einer Kirche oder auf einer Almhütte zu spielen: auffällig viele Briten wie Barry Guy, Gwylim Simcock, Soweto Kinch oder John Parish, Skandinavier wie Stian Westerhus oder Stale Storlokken, junge europäische Wilde wie die Belgier De Beren Gieren oder Amerikaner wie Lisa Simone (die Tochter von Nina) oder Barry Altschul. Und auch mal die Münchnerin Monika Roscher. Ihnen allen freilich ist gemein, dass man sie dem modernen, Genre- und Stil-übergreifenden Jazz zurechnen darf. Klar, gehört doch der Künstlerische Leiter Alfred Vogel selbst in diese Ecke.

Auch für die an diesem Donnerstag startende Ausgabe hat Vogel ein Programm zusammengestellt, das sich nicht hinter den (meist viel größeren) führenden progressiven europäischen Festivals verstecken muss. Schon zum Auftakt präsentieren sich die zum Trio zusammengeschnurrten amerikanischen Pioniere unter den humorvollen Jazz-Zertrümmerern Mostly Other People Do The Killing, dessen ehemaliger Trompeter Peter Evans - ohnehin ein Bezau-Liebling und Stammgast - gleich mit seinem eigenen Ensemble weitermacht. Am ganz anderen Ende des Spektrums finden sich das südkoreanische Near East Quartet, das gerade bei ECM debütierte, oder das portugiesische Trio Bode Wilson. Höhepunkte dürften die Auftritte der souligen Singer/Songwriterin Trixie Whitley, des gerade zum Star aufsteigenden französischen Jazzgeigers Théo Ceccaldi und des aus Argentinien stammenden New Yorker Pianisten Leo Genovese werden, der zehn Jahre bei Esperanza Spalding war und sich hier mit der Avantgarde-Gitarrenveteranin Leni Stern zusammentut.

Bezau Beatz , Donnerstag bis Samstag, 8. bis 10. August, www.bezaubeatz.at

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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