Festival:Rocken im Hocken

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Angekommen: Franziska Eimer, die neue Fraunhofer-Musikchefin. (Foto: Florian Peljak)

Franziska Eimer mischt sanft die 27. Fraunhofer Volksmusiktage auf

Von Michael Zirnstein, München

Den bedeutsamsten Teil ihrer Arbeit verbringt Franziska Eimer im Sitzen. Wobei nicht die Arbeit an Schreibtisch gemeint ist, die auch wichtig ist, wenn man ein ganzes Konzertjahr im Fraunhofer-Wirtshaus und noch weitere Programme etwa für die Monacensia, das "Makin' Musi"-Projekt, das Ander-Art-Festival, das Hofbräuhaus und das Bayerische Fernsehen zusammenstellt. Nicht zu unterschätzen ist auch, wenn sie sich mit der Harfe zu anderen Musikern "dazusetzt", wodurch sie bei den Kollegen gleich einen ganz anderen Stand hat. Das entscheidende Sitzen im Leben von Franziska Eimer aber ist das "Zusammenhocken" - ein Wort, das die junge Frau fortwährend gebraucht: "Zusammen" bedeutet bei ihr, dass sie Projekte gemeinsam anpackt, die sie sich ausgedacht hat, zum Beispiel "Zamrocken" im BR. Sie ist, wie die Moderatorin Luise Kinseher sagt, "das Herz und die Seele" dieser Sendung, in der sie - wie am Dienstag, 3. Januar - scheinbar unvereinbare Musiker wie Spider Murphy Gang und Kofelgschroa in Sessions zusammenschweißt.

Das "Hocken" wiederum beschreibt das Gesellige und Gemütliche, das Franziska Eimer nahezu spirituell zelebriert. Und das von klein auf. Als ihr Vater, der Harfenist Franz Eimer, auf seiner heimlichen Kleinkunstbühne auf dem Hof in Höfen im Oberland Freunde wie die Biermösl-Blosn, Gerhard Polt oder Jörg Hube zum Hoagascht einlud, da saß sie als Kind immer dabei. Mit großen Augen und Ohren und noch größerer Ausdauer. "Ich habe geheult und mich mit aller Gewalt gewehrt, wenn ich ins Bett gehen sollte", erinnert sie sich. "Du willst bis heute nicht ins Bett gehen", entgegnete ihr der Vater jüngst, als er bei einem ihrer "Zamrocken"-Abende auftrat. "Ja, stimmt." Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie erzählt, wie bei ihrem Musikerstammtisch im Hofbräuhaus mal wieder die Philharmoniker zu Gast waren, sich alle im Biergarten die Nacht hindurch "musikalisch austobten" und der Wirt morgens um fünf Weißwürste auftischte.

Franziska Eimer lebt die Wirtshauskultur, und dadurch belebt sie sie. Schon deshalb ist sie die Idealbesetzung als Gestalterin des Programms im Fraunhofer, das sie mit ihrem guten Geschmack und besten Kontakten seit zehn Monaten bereichert. Wobei Eimer niemals die Arbeit ihrer Vorgänger vergessen würde, und insbesondere nicht das Herzblut von Wirt Beppi Bachmaier, mit dem sie ständig "zusammenhockt". Sie hat großen Respekt vor der Aufgabe und den Alten. "Das ist eine Ehre, ich bin in dieser Szene aufgewachsen, ich liebe das Familiäre und Menschliche hier", sagt sie, "ich hatte das Glück, dass ich schon als Kind mit meinem Vater mitkommen durfte, als er hier mit den Wellbuam gespielt hat." Die Volksmusiktage und deren Weltoffenheit haben sie geprägt. Als sie nun die Reihe in deren 27. Jahr nun erstmals gestaltete, gab es am Konzept nichts zu rütteln: Die Wellbuam spielen auf ihrem Tanzfrühschoppen auf (8. Januar), Volksmusiktage-Erfinder Richard Kurländer ist mit der Haus-Combo, der Fraunhofer Saitenmusik, eh gesetzt (13.1.), ewig rockt der Zither-Manä (21.1.), und auch mit den Ickinger Sängern inklusive Vater Franz (9.2.) sind Urgestalten der einst umstürzlerischen Szene dabei. "Diesen Geist will ich bewahren", sagt die Programm-Chefin. Auch wenn das angesichts des akuten Heimatsound-Auswüchse allenthalben fast schon traditionalistisch anmutet. "Die Volksmusiktage haben sich über die Jahre lebendig entwickelt, sie sind in Bayern nach wie vor ein Vorzeigeprojekt - man muss da nicht mit Gewalt daran herumschrauben."

Auf ihre feine Weise bringt Franziska Eimer sich natürlich schon ein. Sie denkt vor allem an die junge Szene - Freunde, oder solche, wie es mal werden. Anton Leishuber von der Schicksalcombo etwa, wie sie Innovationspreisträger der Stadt München, der mit seinem "Operettenputsch" aufleben lässt, dass die Singspielsänger einst die Punks der Klassik waren. Oder die Wonnebeats, die Eimer und ihren einstigen Harfenlehrer Stofferl Well beim "Gstanzlslam" im Hofbräuhaus so beeindruckten mit Dreigesang zu Rhythmen aus aller Welt. Und die aus vielen Nationalitäten zusammengewürfelte Gruppe Oansno, die Gewinner des Fraunhofer-Nachwuchspreises 2015, die sich bei Eimers Musikantentreff gefunden haben. Evi Kegelmaier lässt sie gleich zwei Mal ran: Mit Mrs. Zwirbl, der ersten Frauengruppe, die offiziell in Saudi Arabien auftreten durfte, und am bunten Abend "Evi & Friends". Sie kennt sie vom Niederbayerischen Musikantenstammtisch (29.1). Dessen vorsitzender Klarinettist Josef Zapf hat Franziska Eimer nach der Pubertäts-Flaute nicht nur an die Harfe zurückgeholt, sondern auch ihr Organisationstalent als Band-Managerin geweckt. Was sie damals auf Kneipen-Tournee mit diesem losen Haufen lernte, hält sie nun hoch: das spontane gemeinsame Musizieren, gerade mit dem Publikum: "Ich bin Mittlerin, ich versuche auch die mitzunehmen, die sich nicht trauen." Sei es beim offenen Singen mit Simone Lautenschlager (15.1. und 19.2.), beim Wirtshausjodeln mit Traudi Siferlinger (12.2.) oder bei den aus Netnakisum und Zwirbeldirn neuformierten Tanzhausgeigern (10.1.).

Immer schon brachten die Volksmusiktage die Welt nach Bayern, was sich mit Eimers "Leidenschaft" trifft, "Kulturen zu verbinden". Etwa wenn Kiko Pedrozo die paraguayische Harfe spielt, wenn Claudia Schwab virtuos irische Weisen geigt oder wenn Black Patti amerikanische Volksmusik zelebrieren: den alten Blues. Nur ein Konzert mit Flüchtlingen, wie sie es bereits bei einem "Zamrocken-Spezial" ins Fernsehen brachte, fehlt ihr noch. "Ich will das unbedingt im Fraunhofer, aber es braucht Zeit, damit wir das ordentlich präsentieren", sagt sie, "da werden wir uns bald zusammenhocken."

Fraunhofer Volksmusiktage , Di., 3. Jan., bis 26. Feb., Volksmusikpreis am 5. März, Wirtshaus im Fraunhofer, Fraunhoferstr. 8, 26 78 50

© SZ vom 02.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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