Theater:Na dann Prost

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Willkommen zum Theater-Saufgelage mit Musik und Bier: "Falstaff - Let's get trunk on life" am Schauspiel Köln. (Foto: Birgit Hupfeld)

Jan Bosse inszeniert am Schauspiel Köln "Falstaff", einen trinkfreudigen Abend rund um Shakespeares hedonistische Figur.

Von Martin Krumbholz 

Der famose Ritter Falstaff ist dem Theater abhandengekommen. Nicht dem Musiktheater, es gibt ja Verdis Oper, die allerdings auf den harmlosen "Lustigen Weibern von Windsor" basiert. Im Schauspiel sieht es anders aus. Werden die Historien, in denen der Ritter auftritt, überhaupt noch aufgeführt, dann liegt der Fokus gemeinhin auf den Machtkämpfen des 15. Jahrhunderts. So auch in den beiden Teilen "Heinrich IV.", die die Grundlage für einen dreistündigen lustigen (aber auch nicht viel mehr als lustigen) Kölner Theaterabend unter dem Titel "Falstaff" bilden.

An Macht ist der korpulente Ritter überhaupt nicht interessiert; was diesen Hedonisten anzieht, sind Bier (in der Schlegel-Übersetzung meist Sekt), Frauen (vielleicht auch Männer), gute Laune - all dies illuminiert und veredelt durch eine verblüffende Eloquenz, durch eine "lachende Sprache". Wenn diese illustre Figur heute aus der Zeit gefallen scheint, dann eher in einem positiven Sinn: Womöglich sind die Vitalität, das Charisma des Mannes genau das, was heute fehlt. Sand im Getriebe der Macht. Humor. Frechheit. Witz.

Saufen, huren, stehlen: Prinz Hal missversteht Falstaffs Hedonismus falsch

Im Zentrum der Historie steht die freundschaftliche Beziehung zwischen dem Ritter und dem Prinzen von Wales, genannt Hal, dem "ungeratenen" Sohn des Königs, der seinerseits bloß ein Usurpator ist wie viele Herrscherfiguren in diesen Chroniken. Für die Abwege, die Hal beschreitet - saufen, huren, stehlen -, machen die staatstragenden Akteure den Einfluss Falstaffs verantwortlich, was nur teilweise stimmt. Denn Hal missversteht Falstaffs Hedonismus als Einladung zu Machtmissbrauch und Terror. In dem Moment, da der Prinz die Krone übernimmt, wird er seinen Freund brutal fallenlassen. Im nächsten Stück, "Heinrich V.", zieht er dann in den Krieg gegen Frankreich.

Bruno Cathomas als Falstaff (Mitte), Ritter von der fröhlichen Gestalt. (Foto: Birgit Hupfeld)

Regisseur Jan Bosse, da er nun mal in Köln agiert, nimmt das Drama von der trinkfreudigen Seite. Das Publikum sitzt an Biertischen auf der Bühne und ist eingeladen mitzutrinken. Ob den Akteuren, die mit Pauken und Trompeten zwischen den Tischen toben, eine verdünnte Variante gereicht wird, ist von außen schwer auszumachen, jedenfalls ist der Gerstensaft ihrer Spiellaune nicht abträglich. Allen voran poltert und säuft Bruno Cathomas, der zumindest in physischer Hinsicht schon mal die Idealbesetzung für den feisten Ritter darstellt. Die Souffleuse wird gleich in der ersten Szene eingebunden, ebenso Teile des Publikums, über deren sexuelle Orientierung man sich (unfruchtbare) Gedanken macht. Das Spektakel nimmt also zügig Fahrt auf.

Der Auftritt des Königs, den Jörg Ratjen spielt, führt dann einen heftigen Bruch herbei. Dieser Heinrich IV. ist die Düsternis und die Humorlosigkeit in Person. Auch die pure Infantilität. Erst schreit er, er habe Hunger, dann patscht er erzürnt mit der Faust in die Schüssel. Dass der aufsässige Hal diesem Finsterling ein Dorn im Auge ist, liegt auf der Hand. Im Bürgerkrieg gegen den Heißsporn Percy (Justus Maier) ist der Prinz kaum eine Hilfe. Später gibt es eine großartige Szene, in der Heinrich seinem Söhnchen (von Katharina Schmalenberg crossgegendert) die Leviten liest, um sich dann doch von der Reumütigkeit des Prinzen sentimentalisieren zu lassen.

Es gibt schöne Arabesken an diesem bunten Theaterabend, für dessen zweiten (schwächeren) Teil das Publikum den Akteuren dann die Bühne überlässt. Wunderbar detailverliebt sind die Kostüme von Kathrin Plath, sehr munter die Live-Musik von Carolina Bigge. Und doch bleibt das alles seltsam flach. Cathomas spielt lediglich den Umriss der viel komplexeren Figur, den koketten Narzissmus (indem er seinen Bauch vorzeigt), die Lust an der Anmache, am Spektakel. Er spielt Falstaff so, als beschreite die Figur nur eine Sackgasse, oder eine Passage in die Hölle. Doch so, wie Shakespeare diesen Typus beschrieben hat, mit unvergleichlicher Eloquenz, steckt weit mehr dahinter. Nämlich eine Philosophie, die den Ehrgeiz, das eitle Streben der Mächtigen dieser Welt bis auf die Knochen blamiert. Nicht auf das folgenlose Spektakel käme es an, sondern auf den Spiegel, den ein konsequenter Narr den Herrschenden vorhält. Falstaff ist von allen der Intelligenteste. Diese Einsicht kommt in Köln zu kurz.

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