Eurovision Song Contest:Stefan Raab rettet Deutschland, mindestens

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Seine Mission Deutschland nutzt Privat-TV-Moderator Raab für allerlei Klamauk. So will er beim Musik-Grand-Prix reüssieren. Die ARD hofft mit.

Hans Hoff

Wenn Stefan Raab etwas ankündigt, dann begnügt er sich nicht mit leisen Tönen. Er lässt vielmehr in seinem Kölner Studio die Fanfaren loströten und greift vor den Kameras von N24 und Phoenix ganz tief ins Fass mit den hochtrabenden Parolen.

Der Entertainer Stefan Raab spricht auf einer Pressekonferenz in Köln über den deutschen Vorentscheid des Eurovision Song Contests 2010. Zusammen mit der ARD wird er den Kandidaten suchen, der für Deutschland antreten soll. (Foto: Foto: dpa)

Nicht viel weniger als "eine nationale Aufgabe von historischer Tragweite" hat der Mann zu erledigen. Vielleicht nur noch vergleichbar mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, prahlt er. Super-Raab ist jedenfalls entschlossen, seine Mission Deutschland erfolgreich zu erledigen. Der Star des Privatsenders Pro Sieben ist nicht weniger als der Retter des Eurovision Song Contest (ESC) 2010, jenes Musikwettbewerbs, der als "Grand Prix" Berühmtheit erlangte.

Bei diesem Championat der leichten Muse peilt Stefan Raab eine mittlere nationale Hysterie und einen Platz unter den ersten Zehn im Finale an, mindestens. Damit das mal klar ist.

Dass bei der einem Staatsakt nicht unähnlichen Verkündigungsveranstaltung neben ihm auch noch NDR-Intendant Lutz Marmor sowie andere Vertreter der öffentlich-rechtlichen ARD am Tisch sitzen, gerät schnell in den Hintergrund. Dabei geht es doch - wegen der Mission Deutschland - um eine ganz und gar ungewöhnliche Kooperation zwischen dem Ersten, den ARD-Radios und Pro Sieben. Das große Wort aber führen nicht die Herren aus dem Anstaltswesen, sondern hier redet vor allem Raab. Er hat schließlich Imposantes zu verkünden.

Von der "Creme de la Creme" der deutschen Senderlandschaft spricht der bullige Moderator und hängt sich im Überschwang auch schon mal etwas weit aus dem Fenster. Als erklärt wird, welche ARD-Stationen den Sieg für Oslo mit vorbereiten helfen, sagt er: "Wir arbeiten nicht mit irgendwelchen dahergelaufenen Privatsendern zusammen." Raab grinst breit, bis ihm sein Fernsehvorstand Andreas Bartl vom Konzern Pro Sieben Sat 1 mahnend auf die Schulter klopft. "Ich meine ja nur die Radiosender", knickt der Vorlaute ein bisschen ein.

Offiziell eröffnet ist damit die Bewerbung für den ESC-Wettbewerb im kommenden Jahr. Ab sofort läuft das Rennen, damit es im Februar und März acht TV-Sendungen geben kann. In denen soll aus 20 Kandidaten der deutsche Vertreter und auch noch das Lied für Oslo ermittelt werden. Alles, damit Deutschland nicht mehr so schmächlich untergeht wie in den vergangenen Jahren: Da blieben die Quoten der zugehörigen Sendungen zwar noch in akzeptablem Rahmen, der deutsche musikalische Beitrag aber erschien dem Publikum ungefähr so wichtig wie ein vergorener Liter Milch. Dies soll sich ändern.

Ab sofort können sich Talente bewerben. Raab hofft auf einen Haufen unentdeckter musikalischer Roh-Diamanten. "Wir suchen keinen Superstar, sondern ein musikalisches Talent", sagt er und spielt damit natürlich auf die Plastikshow des Konkurrenten RTL mit dem Dauerpöbler Dieter Bohlen an. Vergesst Bohlen!, ist die Botschaft - jetzt preschen ARD und Pro Sieben gemeinsam nach vorne. Immerhin gebe es mehr Radiohörer als Fernsehzuschauer, sagt Jochen Rausch. Der Chef der jungen WDR-Welle vertraut auf Raabs musikalisches Gespür und darauf, dass der als Präsident einer noch zu benennenden Jury attraktive Songs entdeckt, die bei den ARD-Radios freiwillig gespielt werden. Den deutschen Beitrag 2009 haben sie fast unisono ignoriert.

"Raab hat die größte musikalische Glaubwürdigkeit", erklärt ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. Hörfunkmanager Rausch sieht die Summe aus Radios und den beiden Fernsehsendern als "die größte überhaupt denkbare Plattform für einen Nachwuchskünstler."

Angesichts der Größe der Aufgabe nimmt sich die leidgeprüfte ARD ein wenig zurück und lässt sich vom Zugpferd Raab die Richtung vorgeben. Der soll es richten. Man vertraut ihm weitgehend blind - Raab brennt nach seinem Engagement für Guildo Horn, sich selbst und Max Mutzke nach wie vor für den ESC. Von den Querelen, die zwischenzeitlich zu einem Abbruch der Verhandlungen zwischen ihm und der ARD geführt hatten, will er heute nichts mehr wissen. "Für die Tatsache, dass die ARD beteiligt ist, ging es sehr schnell", sagt Raab und lobt vor allem Peter Boudgoust, den aktuellen ARD-Vorsitzenden: "Herr Boudgoust hat bei mir den Spitznamen Speedy Gonzalez."

So sehr brennt der Pro-Sieben-Entertainer für die deutsche Sache, dass er sich noch keine Gedanken darüber gemacht hat, ob ihm für seine Einsätze im ARD-Programm möglicherweise ein Honorar zusteht. Darüber sei noch zu reden, sagt Raab, zeigt aber prophylaktisch Verhandlungsbereitschaft an - und ein wenig Mitleid für den gerade von einem Moderatorenabgang gebeutelten Anstaltenverbund. "Ich weiß nicht, ob die ARD sich das leisten kann, die kann sich ja noch nicht einmal Pilawa leisten."

Die ARD nimmt es als Teil der Strategie. Wenn Raab doch nur den ESC rettet! Wenn doch nur die Zeit der Blamage vorbei wäre! Da nimmt man halt Einiges in Kauf.

Auch sonst treiben die Privaten die ARD schön vor sich her. Kurzerhand beschloss man dort, die Pressekonferenz beim ProSieben-Schwesterkanälchen N24 übertragen zu lassen - was die Öffentlich-Rechtlichen natürlich in Zugzwang brachte. Prompt übertrug auch die ARD-ZDF-Tochter Phoenix den ESC-Staatsakt.

Gesucht wird nun noch ein Pärchen, das im Frühjahr die acht anstehenden Sendungen - sechs bei Pro Sieben, zwei bei der ARD - moderiert. Noch stehen die Namen nicht fest. Einen "Win-Win-Win-Effekt" erhofft sich TV-Vorstand Bartl auf jeden Fall für alle drei beteiligten Gruppen.

Für Raab ist jetzt schon klar, dass die für den ESC erdachte Sonderform von Public-Private-Partnership ein Zukunftsmodell ist. "Die nächsten 50 Jahres des ESC sind sicher und in guter Hand", sagt der routinierte Spötter. Dann aber muss er seinen neuen Partnern doch noch schnell einen mitgeben: "Es kann auch sein, dass man in der ARD sagt: Das ist sehr erfolgreich, lasst es uns einstellen."

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