Erl:Und eine leuchtet doch

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Am "Liebestrank" der Erler Festspiele ist einiges ausbaufähig

Von Egbert Tholl, Erl

Auch in dieser Produktion gibt es einen sehr guten Grund, nach Erl zu fahren. Der Grund ist Benedetta Torre. Die Sopranistin wurde 1994 in Genf geboren und singt die Adina. Adina ist in Donizettis "L'Elisir d'amore" eine reiche Bäuerin, die sich von den schönen Augen, die ihr der eher simpel gestrickte Nemorino macht, belustigt fühlt, sich lieber vom großspurigen Offizier Belcore bezirzen lässt, bis sie die Aufrichtigkeit von Nemorinos Liebe erkennt. Dann geht alles gut aus. Nötig ist dafür Dulcamaras Zaubertrank, also Wein, noch mehr aber der Tod von Nemorinos Onkel, dessen Erbe diesen zum reichsten Mann der Gegend macht. Das weiß zwar Adina nicht, aber die vielen anderen Damen auf der Bühne schon, deren ob der Erbschaft erwachtes Interesse an dem lieben Kerl auch Adina zum Umdenken bringt.

Adina könnte eine eingebildete Zicke sein, Benedetta Torre ist dies nicht. Mit dem Charme ihrer Jugend, den nicht einmal die zunächst wenig vorteilhaften Klamotten von Dorothee Joisten negieren können, zeichnet sie die Figur auf einem Grat zwischen Sehnsucht und Liebespragmatismus, ist sehr freundlich, kann aber auch kokett sein. Und fabelhaft singen. Sie verfügt über die strahlende Leichtigkeit, die Donizettis Musik verlangt, hat eine stupende Sicherheit und kann dann auch, im zweiten Akt, das große Melos. Mit ihr als Adina erweist sich das Gespür Bernd Loebes, der sich nun, neben der Frankfurter Oper, um die Geschicke der Tiroler Festspiele kümmert. Der Rest ist mit Verve gescheitert.

Donizettis "Liebestrank" ist eine konzentrierte Nichtigkeit voller musikalischer Ideen. Warum die Regisseurin Dorothea Kirschbaum irgendwas Ambitioniertes damit machen will, das wenig Sinn ergibt, wird ewig ein Rätsel bleiben. Jedenfalls befinden wir uns in einer Ballett- oder Irgendwas-Schule in Soho. Vielleicht in Soho, auf jeden Fall sieht man zunächst durch die Fenster von Alexandre Corazzolas Bühnenbild hübsche Backsteinfassaden, als Video, die dann, wenn der Gesang über die Liebe wenig Hoffnung vermittelt - Nemorinos Canzonetta "Una furtiva lagrima", von Jonathan Abernethy mit großer Souveränität gemeistert - zu albernen, simplifizierenden Eisblumen werden.

In der Ballettschule finden Chor- und Yogastunden statt, der Chor trägt ein völlig aussageloses Sammelsurium aus Tracht und Alltagsklamotten, Belcore (Mikolaj Trabka) ist ein Faschingszampano, Dulcamara (Sam Handley) ein weißgewandeter Guru. Eine Idee hat Kirschbaum: Diese ist ein altes Paar, Nemorino und Adina 50 Jahre später, das kurz vorm Sterben noch einmal die Geschichte der eignen Liebe besucht, betrachtet, mitfühlt. Das hat eine echte Poesie. Von der Sesto Quatrini gar nichts hält. Es gibt keinerlei Grund, ihn als musikalischen Leiter engagiert zu haben. Das Erler Orchester folgt willig seinen ausgesucht eleganten Bewegungen, auf der Bühne sind alle ratlos. Nichts funkelt, vieles wackelt. Wenn Loebe die Produktion nach Frankfurt holt, sei ihm ein anderer Dirigent angeraten.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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