Erinnerungen:Heldenhaft

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Mario Adorf: Schauen Sie mal böse! Geschichten aus meinem Schauspielerleben. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 174 Seiten, 17,99 Euro. E-Book 15,99 Euro. (Foto: kiwi)

Der junge Kammerspiel-Akteur Mario Adorf soll dem Regisseur Robert Siodmak zeigen, wie böse er gucken kann - "Schauen Sie mal böse" heißen nun die Geschichten aus dem Schauspielerleben des Weltstars.

Von Fritz Göttler

Stechende Augen hinter dicken Brillengläsern, eine unerbittliche Inquisition. Frühjahr 1957, in der Künstlerkneipe Atelier, hinter der Münchner Oper, eine halbe Stunde vor Mitternacht. Der junge Kammerspiel-Akteur Mario Adorf soll dem Regisseur Robert Siodmak zeigen, wie böse er gucken kann. Aber Siodmak, sächsischer Herkunft, ist nicht zufrieden - "bis er die Brille von seiner Nase auf die Stirn schob, mich mit Schreck einflößenden schwarzen Augen anstarrte und zischte: ,Das ist beese!'"

"Schauen Sie mal böse!", Siodmaks Aufforderung hat dem Buch den Titel gegeben, in dem Mario Adorf, Weltstar und lustvoller Erzähler, aus seinem Schauspielerleben berichtet. Es sind Bühnen- und Atelier-Geschichten, in denen immer ins Traurige Kurioses eindringt, die komischen Momente sich ins Tragische verbiegen, und überall mischt sich der Fake ein, die Lust am Spielen und Vorspielen. Das Böse im Blick wird für "Nachts, wenn der Teufel kam" gebraucht - die Rolle des Teufels, des Massenmörders Bruno, den Adorf für Siodmak, den Hollywood-Remigranten, spielen wird. Aus den letzten Kriegswochen sind Adorfs erste Erinnerungen, von Liedern, gesungen im Bunkerbau, wo Schwarzhandel getrieben und Jazzmusik gehört wird und Liebespaare sich in dunkle Ecken verziehen.

Ein Buch über den täglichen Heroismus, die heldenhaften Einsätze auf Bühnen und in Studios, beim Vorsprechen bei Kortner und Co., den Großen des Nachkriegstheater. Von Angst und Schmerz wird erzählt - auch beim beesen Blick ist Schmerz im Spiel - und davon, wie einer einen Finger durch ein Loch in der Dekoration steckt und eine Aufführung von "Endstation Sehnsucht" rettet. Für die ultimative Performance, den Tod, ist der große Albert Bassermann zuständig, der in Hollywood legendäre Sterbeszenen hinlegte: "Komm schnell rüber ins Studio A, Bassermann stirbt!" Vom Tode, schrieb Walter Benjamin, hat der Erzähler seine Autorität geliehen, Bassermann starb auf dem Rückflug nach Zürich, in einer dunklen Flugzeugkabine. "Außer seiner Frau gab es niemanden, der ihm diesmal zuschaute."

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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