Die CDs der Woche - Popkolumne:Schub aus der Tiefe

Lesezeit: 3 min

Ganz auf der Höhe der Zeit: Booker T in "Sound the Alarm". (Foto: PR)

Booker T zementiert mit seinem zehnten Soloalbum seine Rolle als Vaterfigur des Groove. Und "Theo Parrish's Black Jazz Signature" ist von dessen Sinn für den Flow geprägt. Giorgio Moroders "Best of Electronic Disco" erinnert dagegen nur in Ansätzen an seinen Status als Zeus des Disco-Olymp. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Andrian Kreye

Booker T

Es gibt auf der Welt ein paar Dutzend harter Studioarbeiter, die Zeit ihres Lebens ein gutes Auskommen damit hatten, in jedem nur erdenklichen Genre unwiderstehliche rhythmische Triebfedern unter einen Song zu legen. Der Hammond-Organist Booker T. Jones ist so eine Figur, die im Hintergrund oft die rhythmischen Blaupausen für die Zukunft legten. 1962, als er die Studioband für das Soul-Label Stax leitete, gelang ihm das erstmals mit dem Instrumental-Blues "Green Onions", der zum Fundament für den Funk der Siebziger und die Beats des Hip-Hop wurde. 1971 schrieb er mit "Melting Pot" einen Groove, der die DNA der House Music vorwegnahm.

"Sound The Alarm" (Stax) ist nun Booker T's zehntes Soloalbum in 51 Jahren. Beweisen muss er damit nichts mehr. Aber weil er eine ganze Reihe junger Sänger und Musiker ins Studio geholt hat, Neo-Soul-Crooner wie Mayer Hawthorne und Anthony Hamilton zum Beispiel, Bill Withers Tochter Kori, den Bluesgitarristen Gary Clark Jr., zementiert er eben doch seine Rolle als eine der Vaterfiguren des Groove.

Mit ihnen meistert er in jedem Song die Gratwanderung zwischen einem Leben, das fast die gesamte Popgeschichte umfasst, und dem Anspruch, ganz auf der Höhe der Zeit sein. Den Triumph feiert er dabei in den Details. Jeder Song taugt zum aktuellen Hit. Es ist die eine Hammond-Welle hier und der extra Offbeat dort, die dem Groove wie ein gewaltiger Wellenbrecher aus der Tiefe den Schub verleihen, der einen unweigerlich mitzieht.

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Die Suche nach Quellen und Blaupausen muss nicht immer direkt verlaufen. Nach dem britischen DJ Gilles Peterson und dem japanischen Produzenten DJ Muro hat sich nun Theo Parrish mit dem Katalog des wiederentdeckten Labels Black Jazz Records befasst. In Chicago gehört Parrish zu den progressivsten DJs der House-Szene, der eine extreme stilistische Breite in einen in sich schlüssigen Fluss bringen kann.

"Theo Parrish's Black Jazz Signature" ist ein in sich stimmiges Set. (Foto: Snow Dog)

Nun haben die Quellen von Black Jazz Records mit der Arbeit von Parrish zunächst einmal nur wenig zu tun. Von 1971 bis 1975 produziert eine Gruppe von Jazzmusikern aus dem kalifornischen Oakland einen Katalog von nur 21 Alben, die nun wieder auf CD aufgelegt wurden. Kern der Gruppe war der Pianist Gene Russell, der Gitarrist Calvin Keys gehörte dazu, der Saxofonist Rudolph Johnson und das Kollektiv The Awakening. Das sind allesamt Namen, die heute kaum noch jemand kennt, obwohl vor allem der Keyboarder Doug Carn dem Label damals enorme Umsätze einbrachte. Die Mischung aus der Freiheit des spirituellen Jazz, dem soliden Fundament des Funk und dem politischen Kampfgeist im Oakland der Siebzigerjahre war stilprägend.

Parrish schafft mit zwölf Stücken des Labels, die von Calvin Keys' Blues-Funk über die Energieausbrüche des Awakening bis zu den modalen Kraftakten von Rudolph Johnson reichen, ein in sich stimmiges Set, das von seinem Sinn für Flow geprägt ist, selbst wenn die kalifornische Avantgarde die Sicherheit der Formen verlässt.

Die aktuelle Deutungshoheit über die Quellen der Tanzmusik haben sich in diesem Sommer Daft Punk erkämpft. Den Kern ihrer Kompetenz bildete dabei der neunzig Sekunden lange Ausschnitt aus dem Song "Get Lucky", mit dem sie die Erwartungshaltungen an ihr Album in den Wochen vor der Veröffentlichung ins Unermessliche steigerten. Zünder für den Hype waren die schnittigen Gitarrenakkorde von Nile Rodgers und ein Elektromotiv, das direkt an das Gesamtwerk des Südtiroler Disco-Pioniers Giorgio Moroder anschloss. Der durfte dann auf dem Album eine eigenartige Hymne an sich selbst mit einem Monolog und einem seiner charakteristischen Elektro-Grooves versehen.

Es war dann ganz egal, dass man sich eigentlich nur zweieinhalb Songs des Albums wirklich anhören wollte - die Deutungshoheit war erobert und Moroder einmal mehr zum Zeus des Disco-Olymp erklärt. Zwangsläufig folgte eine ganze Schwemme Wiederveröffentlichungen. Da aber sollte man sich vorsehen, denn ein Großteil, wie die mehrteiligen Compilations "On the Groove Train" und "Schlagermoroder" rufen nur in Erinnerung, dass Moroder in München Mengen mittelmäßiger Schlager- und Tanzmusik produzierte.

Sein Ruhm aber beruht auf wenigen Elektro-Motiven, die er für Donna Summer und ein paar Hollywoodfilme schrieb. Einige davon findet man auf "Best of Electro Disco" (Sony). Alles andere zerstört nur den Mythos. Und wer will das schon.

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© SZ vom 10.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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