"Das Mädchen und die Spinne" im Kino:Dadaismus von Ikea

Lesezeit: 1 min

Bröckelnde Fassade der Freundlichkeit: Henriette Confurius (Mitte) als Mara. (Foto: Beauvoir Films/Filmverleih Salzgeber)

Eine WG löst sich auf, zwischen den Umzugskartons gibt es Ärger: der Kinofilm "Das Mädchen und die Spinne".

Von Nicolas Freund

Der Umzugsfilm hat sich als Genre bisher noch nicht etablieren können. Dabei geben halbfertige Zimmer, Möbelrohbauten und Kistenlandschaften keine uninteressanten Kulissen ab, denn so ein zerlegter Lebensraum lässt sich ja kaum anders als tiefenpsychologisch verstehen.

In "Das Mädchen und die Spinne" werden die Leben von Mara und Lisa umgeräumt. Lisa (Liliane Amuat) zieht aus der gemeinsamen WG in ihre eigene Wohnung, was Mara (Henriette Confurius) überhaupt nicht passt. Im zweiten Spielfilm der Schweizer Regie-Brüder Ramon und Silvan Zürcher geht es um das Emotionale eines solchen Moments und von diesem erzählen die beiden auf den ersten Blick unfreiwillig komisch: Zu den Bildern von Einbauküchen und Akkuschraubern führen die Figuren Gespräche, die so hölzern klingen, als stammten sie von Ikea: "Einmal haben wir uns aus den Augen verloren. In einer kleinen Stadt ... Ich hab' dich überall gesucht. In den Straßen. Den Cafés ..." erzählt Mara, als wüsste Lisa das nicht alles selbst. Die Figuren geben sich Namen wie "Königin der Nacht", packen anlasslos unheimliche und grausame Geschichten aus oder kontern einander in fast dadaistischen Dialogen. "Weniger ist eben mehr. - Müssen nur aufpassen, dass es nicht zu viel wird", heißt es einmal, als kommentiere der Film sich selbst. Diese Figuren sind keine Charaktere, sondern Stichwortgeber und Gespenster aus einem etwas überambitionierten Drehbuch. Die Kamera dazu ist immer starr, was natürlich höchste Kunstfilmansprüche suggerieren soll. Anstrengend.

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Aber: In Kombination mit den bis auf ein paar surreale Ausnahmen völlig biederen Umzugsbildern, entsteht aus den artifiziellen und abgehobenen Texten ein besonderer Effekt, eine Art zweite Wirklichkeit, die sich wie die emotionale Ebene als flüchtiges, spinnwebartiges Gewebe über die Bilder legt. Das funktioniert vor allem wegen Henriette Confurius, die als Mara mit einer bröckelnden Fassade der Freundlichkeit, unter der immer wieder Zorn und Trauer hervorscheinen, emotional durch das komplizierte Labyrinth der zwischenmenschlichen Beziehungen führt, die dieser Film im Dutzend anreißt, als wären es Umzugskartons. Ein riskantes Verfahren, dem es aber in den besten Momenten gelingt, etwas zu zeigen, das den Bildern alleine verborgen geblieben wäre.

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Das Mädchen und die Spinne , Schweiz 2021 - Regie und Buch: Ramon Zürcher, Silvan Zürcher. Kamera: Alexander Haßkerl. Mit: Henriette Confurius, Liliane Amuat, André Hennicke. Salzgeber. 98 Minuten.

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