Der Tod ist das Schicksal, das alle Menschen teilen. Es gibt Tode, die wir akzeptabel finden: infolge von Alter oder langer Krankheit. Andere erscheinen uns ungerecht: den von Kindern oder jungen Menschen, den ziviler Opfer von Bombardierungen, Morde.
Seit dem Zweiten Weltkrieg haben der Westen und besonders Europa fast kein Massensterben mehr erlebt. Man hat ein wenig die Erinnerung daran verloren. Es scheint den Süden der Welt zu seiner Stätte gewählt zu haben, der in den letzten Jahrhunderten seinen Teil an Genoziden, Massenverbrechen, Epidemien, Kriegen, Hungersnöten, Naturkatastrophen erlebte, die Millionen Tote mit sich brachten. Der Süden hat in diesen letzten Jahrhunderten die Erfahrung einer ungleichen Verteilung des Todes gemacht. Diese folgte der Trennlinie der Imperialismen, Kolonialismen, der Ungleichheiten, der aufgezwungenen Armut, der Verantwortungslosigkeit der Regierungen.
Mit dieser Pandemie machen Europa und Amerika erstmals wieder die Erfahrung des massenhaften Sterbens. Sie zahlen den heftigsten Tribut. Das ist kein Anlass zur Genugtuung, diese Sterblichkeit ist für uns alle die gleiche, beschwört unsere condition humaine.
Manche, die es gewohnt waren, uns sterben zu sehen auf dem afrikanischen Kontinent, verstehen nicht, warum wir nicht das größte Kontingent an Opfern bilden, und fahren fort, uns eine verhängnisvolle Zukunft vorauszusagen. Diese Todesprophezeiung für uns absolut obszön. Es ist noch ein langer Weg zu einem gemeinsamen menschlichen Bewusstsein.
Die Katastrophe bewirkt, indem man sie als natürlich bewertet, eine größere Akzeptanz des Todes. Die Ursachen werden Mutter Natur zugeschrieben, die macht was sie will. Man revoltiert nicht gegen einen von einem Virus verursachten Tod. Und doch ist diese Pandemie das Resultat einer kulturellen Katastrophe, eines Kapitalozäns, das skrupellos die Natur niedergemacht, die Biodiversität zerstört und Zoonosen ermöglicht hat.
Man muss diese mit dem Virus verknüpfte Letalität politisch lesen. Eine ihrer Ursachen ist der Wandel der Umwelt infolge der Aktivitäten der Menschen, für die wir aber nicht alle gleichermaßen verantwortlich sind. Der westliche und mittlerweile auch asiatische Kapitalismus trägt den größten Teil der Verantwortung. Die Frage ist für uns, wie wir ihn dazu bringen, alle ethischen und biopolitischen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Der Tod ist jener Besucher, von dem wir nicht wissen, wann er an unsere Tür klopfen wird, wo er uns finden wird, in welcher Form. Dass wir das nicht wissen, nimmt dem täglichen Leben einiges von seiner Angst. Der reihenweise Tod beraubt uns nun der Einzigartigkeit unseres Lebensendes. Wir sterben nicht mehr unseres eigenen Todes, sondern eines Herden-, eines enteigneten Todes. Dort, wo er oft zugeschlagen hat, entwickeln die Menschen ein intensives Gespür für diese Tragik. Sie domestizieren ihn, leben mit ihm, lernen seine Unvermeidbarkeit zu akzeptieren. Und da leben darin besteht, auf welche Weise auch immer sich auf ihn zuzubewegen, nehmen sie ihn wieder an, beschäftigen sich mit seinem unergründlichen Mysterium, verleihen ihm einen Sinn. Der Tod, ein Spiegel, in dem der Sinn des Lebens reflektiert ist. Manche werden sich dafür entscheiden, intensiver zu leben, auf die Gefahr hin, durch ein Übermaß an Leben und Geselligkeit zu sterben. Das ist ihre ultimative Freiheit.
Das Virus wird sterben. Weniger sicher aber ist, dass die schlechten Gewohnheiten dieser Welt, ihre Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, ihre Raffgier, ihre Maßlosigkeit mit ihm sterben werden. Gerade diese sind es doch, die wir bekämpfen müssen. Wenn selbst der Tod keinen Sinn für die Lebenden mehr in sich trägt, woher soll dieser künftig kommen? Wir werden sterben, wie wir gelebt haben, das ist eine alte Weisheit. Bei den Alten war zu sterben lernen eine Kunst des Lebens. Die Ursachen für dieses Massensterben zu überdenken, das wir uns selbst zugefügt haben, könnte uns dazu bringen, besser leben zu lernen.
Felwine Sarr, geboren 1972, lehrt Ökonomie in Saint-Louis, Senegal. Aus dem Französischen von Fritz Göttler.