Computerspiel:Heaven's Vault

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Von Nicolas Freund

Auch für Computerspiele gibt es, ähnlich den Indie-Filmemachern, eine sehr aktive Szene an kleinen unabhängigen Entwicklern, die zwar nicht die technischen und finanziellen Möglichkeiten der großen Studios haben, dafür aber umso mehr wagen und ausprobieren können. Sie können sogar, was bei den meisten Mainstream-Produktionen undenkbar wäre, eine Linguistin mit Kopftuch zur Heldin ihres Spiels machen. Das Inkle Studio in Cambridge hat nur neun Mitarbeiter, aber mit "Heaven's Vault" ( für PC und Playstation 4, circa 22 Euro) schon mehr Neues ausprobiert als die meisten anderen Spiele des Frühjahrs.

In einer stilisierten, nach arabischen und asiatischen Motiven gestalteten Science-Fiction-Welt ist die Forscherin Aliya auf der Suche nach einem verschwundenen Roboter-Experten. Aus unbekannten Gründen ist diese Welt in viele kleine Felsbrocken zerfallen und überall finden sich rätselhafte Spuren einer untergegangenen Zivilisation. Neben dem Erkunden der sehr schön, comicartig gezeichneten Städte und Landschaften besteht das Spiel aus dem Entziffern einer vergessenen Sprache. Diese Sprache haben die Entwickler eigens für das Spiel als Mischung aus Altägyptisch, Mandarin und Deutsch erfunden. Vom Ägyptischen und Chinesischen haben sie sich den piktografischen Stil geliehen, vom Deutschen das Prinzip der zusammengesetzten Worte. Bei den ersten Inschriften ist noch viel Raten nötig, sobald aber ein paar Zeichen bekannt sind, entwickelt die Mischung aus Wiedererkennen und ständigem Neuinterpretieren eine anspruchsvolle, motivierende und einzigartige Spieldynamik - ganz ohne Gewalt.

Dieses Prinzip wiederholt sich im Spieldesign: Die in der fantastischen Welt dekontextualisierten arabisch-asiatischen Kleidungs- und Architekturstile machen manches Klischee und Vorurteil als Konstrukt erkennbar. Wenn sich Aliya in den ruckartigen Bewegungen der Comicgrafik manchmal verdoppelt und wie ein Echo ihrer selbst wird, scheinen sich auch einige Thesen zur Philosophie von Sein und Zeit in dem Spiel zu verbergen.

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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