Charlize Theron:Stars müssen immer wieder den Neid zähmen

Lesezeit: 5 min

Tja, das war als Einleitung in ihre dunkle Vergangenheit gedacht. Es war nämlich einmal vor vielen Jahren, als die kleine Charlize eines Nachts von Schüssen geweckt wurde und miterleben musste, wie ihre Mutter ihren betrunkenen Vater in Notwehr erschoss. Die Mutter wurde nie verurteilt und ist heute die beste Freundin ihrer Tochter. Hat sie der Vorfall dazu gebracht, mit 18 Jahren Südafrika zu verlassen? Und mit einem Koffer und ein paar hundert Dollar in Hollywood ihr Glück zu versuchen? Nur soviel: "Meine Eltern haben mir immer das Gefühl gegeben, dass ich etwas wert bin, unabhängig von meinem Äußeren, sodass ich ein gesundes Selbstvertrauen bilden konnte."

Aber genau dieses Äußere war der Grund, weshalb sie einem Agenten in einer Schlange am Hollywood Boulevard auffiel; es folgte ihre erste Rolle in einem Horrorstreifen. Frauen wie Charlize Theron haben im Film ("Kaltes Land") beste Freundinnen wie Frances McDormand, die in der Presse "Charakterdarstellerin" genannt werden, aber nie den Sieg davontragen, wenn es darum geht, die Wirklichkeit zu verändern.

"Schönheit ist meine Waffe", sagt Ravenna und damit den einzig geraden Satz in diesem Film. Schönheit ist auch die Waffe von Charlize Theron, und es ist so mühsam, dass sie es nicht einfach zugibt. Weil man sie dann fragen würde, wofür sie diese Schönheit einsetzt - oder: wogegen? Die Behauptung von Ernesto Che Guevara, dass "Schönheit und Revolution . . . kein Widerspruch (sind)", klingt, wenn man so einer Hollywood-Beauty gegenübersitzt, wie ein schlechter Witz. Schönheit hat kein revolutionäres Potenzial. Es gibt höchstens revolutionäre Schönheitsmittel.

Die Beautyindustrie hat die perfekte Charlize längst für sich eingespannt. Die 36-Jährige ziert regelmäßig Cover, aktuell die britische Vogue; außerdem war sie Model für das Dior-Parfüm "J'adore". Im Spot, der im Schloss von Versailles spielt, boxt sie sich durch eine fein gekleidete Menge, drückt ihre Handtasche einem Bediensteten in die Hand und lässt sich - von einer brünetten Widersacherin beobachtet - ein Diamantencollier umlegen, bevor sie im goldenen Kleid auf den Laufsteg schwebt: blond, rücksichtslos, zu schön für diese Welt.

Stars müssen immer wieder den Neid des Publikums zähmen - indem sie ihre Hypernormalität vorführen. Sie tragen Babys in Tragetüchern durch Bel Air, holen sich Pappbecher an Tankstellen, blamieren sich in TV-Shows wie "Saturday Night Life" und lassen auch mal eine Pediküre sausen. Eine alte Masche zwar, aber eine, die immer noch funktioniert.

Überhaupt nicht glaubt man es, wenn sie sagt, dass sie "mit beiden Beinen auf dem Boden" stehe. Im Moment handelt es sich dabei um einen der teuersten Quadratmeter Berlins, vor der Tür warten seit Stunden ihre Fans in der Hoffnung, einen Blick auf die Schauspielerin zu werfen. Man plaudert noch kurz über Obamas Chancen auf eine Wiederwahl (sie drückt die Daumen), die Occupy-Bewegung (ganz wichtig), die Gartenarbeit der Mutter in L.A. (sie könnte mit Tomaten das ganze Viertel ernähren!).

Je privilegierter ein Leben ist, desto leichter assoziiert das Publikum Einsamkeit damit. Jedenfalls schließen sich allein stehende Frauen dieser Klasse auffallend oft Hilfsprojekten an, oder sie kriegen ein Baby, auf eine für das eigene Äußere unproblematische Art: Adoption. "Einen Lottogewinn für das Baby" nannten US-Klatschmagazine die Entscheidung der Schauspielerin im März dieses Jahres, ein afroamerikanisches Baby zu adoptieren. Und die Männer? Lieber über Baby Jackson reden.

Wenn ihr Söhnchen groß ist, werden Wissenschaftler ganz bestimmt die Formel für die ewige Jugend gefunden haben. Oder Pillen, die jede Altershaut in Säuglingszustand zurück versetzen. Vielleicht wird dann der Stern von Frauen wie Charlize Theron sinken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema