Viel Lärm um nichts? Das Bundesverfassungsgericht hat das Filmfördergesetz mit solcher Eindeutigkeit für verfassungsgemäß erklärt, dass man sich fragt, wovor die Filmwirtschaft überhaupt zittern musste. Nicht nur, dass der Zweite Senat das grundsätzliche Modell gebilligt hat: Kinobetreiber müssen mit ihren Zwangsabgaben auch dann das Budget der Filmförderanstalt (FFA) speisen, wenn ihnen wenig am deutschen Film gelegen ist.
Nein, die Richter haben das Fördersystem selbst in seinen Verästelungen gutgeheißen. Die Vergabekommission der FFA soll nicht ausreichend demokratisch legitimiert sein? Mag sein, sagen die Richter - aber entscheidender sei doch, dass sie ein Judiz für kreativ-künstlerische Qualität habe.
Ganz so klar war der Ausgang vorher freilich nicht. Vier Kinobetreiber der UCI-Gruppe hatten dagegen geklagt, dass sie über Zwangsabgaben die Förderung des deutschen Films unterstützen müssen - obwohl für ihren Kassenerfolg vor allem der ausländische Film ausschlaggebend sei.
Solche Abgaben haben die Karlsruher Richter in früheren Urteilen äußerst skeptisch beurteilt, weil sie unterbinden möchten, dass die Vielzahl der Steuern und Gebühren kreativ um neue Zahlungspflichten erweitert wird. "Dass es diesmal anders kommen würde, war also nicht von vornherein zu erwarten", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Ein Mitglied des achtköpfigen Senats hat mit Nein gestimmt.
Deutliche Zahlen
Nun war der Verweis auf den ausländischen Film allzu leicht zu widerlegen. Der Marktanteil deutscher Filme - gemessen an den Besucherzahlen - ist von knapp zwölf Prozent im Jahr 2002 auf gut 27 Prozent im Jahr 2009 gestiegen.
Den süffisanten Kommentar des Urteils verlas Gertrude Lübbe-Wolff, die für das Verfahren als Berichterstatterin zuständig war: "Deutlicher als durch ihr in diesen Zahlen dokumentiertes freiwilliges Marktverhalten könnte die Kinowirtschaft ihr wirtschaftliches Interesse am deutschen Film nicht bekunden." Und die FFA ist für immerhin 70 von 350 Millionen Euro des Gesamtvolumens der verzweigten deutschen Filmförderung verantwortlich.
Zugleich ist das Ja der Richter zur Filmförderung ein bemerkenswert klares Bekenntnis zu einer Förderstruktur, die nicht auf die vermutete Kassenschlager-Eignung eines Projekts setzt, sondern auf eine "qualitätsorientierte Förderung", wie es im Urteil heißt.
Der Senat hat sich das in der Verhandlung vorgetragene Argument der Fachleute zu eigen gemacht, dass ein nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg des deutschen Films nur mit branchenweiter Qualität erreichbar ist. Kurzfristig möge es im Einzelfall lohnend sein, sich an "bewährten Erfolgsmustern" zu orientieren. Nachhaltiger Erfolg lasse sich aber nur damit sichern, "auch ganzheitlich und langfristig angelegte Förderstrategien zu setzen, die gezielt dem - im Einzelfall nie sicher bestimmbaren - künstlerisch-kreativen Erfolgsfaktor Raum geben".
Das ist ein starkes Signal: Karlsruhe nimmt kulturelle Betätigung von den Gesetzen der Marktwirtschaft aus, denen zufolge das individuelle Gewinnstreben den Gesamterfolg sichert. Kultur benötigt einen geschützten Raum, in dem Qualität zählt, nicht Kasse.
Kultur nicht nur Ländersache
Notwendig war der Argumentationsaufwand, um nicht der Kulturhoheit der Länder ins Gehege zu kommen. Das Filmfördergesetz ist eine Bundesregelung, aber der Bund konnte sich nur auf seine Zuständigkeit für das "Recht der Wirtschaft" stützen.
Was der Senat zu diesem Thema geschrieben hat, wird in den Bundesländern nicht auf ungeteilte Freude stoßen. Gewiss, Kultur sei Ländersache. "Zugleich kann es jedoch einem Staat, der sich von Verfassungs wegen als Kulturstaat versteht, nicht verwehrt sein, in der Wahrnehmung aller seiner Kompetenzen auch auf Schonung, Schutz und Förderung der Kultur Bedacht zu nehmen." Deshalb sei die Kulturhoheit der Länder für den Bund keineswegs eine Grenze, die er nicht überschreiten dürfe.
Das liest sich wie eine Einladung an den Bund, manche seiner Gesetze um kulturelle Aspekte anzureichern. Die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters wird diese Passage mit Interesse lesen.