"Der Buchmarkt kann es an Intransparenz mit dem Kunst- und Waffenmarkt aufnehmen", klagt Tom Lamberty, Chef des Merve Verlags. Honorare, Vorschüsse, Auflagen? Darüber erfährt man wenig, selbst im Internet finden sich nur semiseriöse Einträge in irgendwelchen Foren. Der hiesige Buchmarkt erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von mehr als neun Milliarden Euro und damit doppelt so viel wie die Film- und Musikindustrie zusammen. Das Geld ist also da. Aber es ist nicht in den Taschen der Schreibenden.
Wenn ich Gästen auf einer Party vom Bücherschreiben erzähle, sehe ich oft ein Funkeln in ihren Augen: "Ah, du hast ein Buch bei diesem tollen Verlag untergebracht - jetzt haste bestimmt erstmal ausgesorgt!" Dann erkläre ich ihnen kurz, wie das wirklich läuft mit dem Buchmarkt - und merke, wie ein Traumwölkchen nach dem anderen zerplatzt.
Denn bei etwa 75 000 Neuerscheinungen pro Jahr trifft das Klischee vom armen Poeten leider auf 95 Prozent der Schreiber zu: "Die allerwenigsten Autoren können wirklich vom Schreiben leben. Die meisten benötigen einen Brotjob oder eine andere Art der Querfinanzierung", betont Leander Wattig, ein erfahrener Berater der Buchbranche.
Mein grob geschätzter Stundenlohn als Buchautor liegt bei 6 Euro brutto.
Auch für mich lohnt sich das Bücherschreiben kaum. Es ist eine Herzensangelegenheit, aber einträglich ist es nicht. Bevor es zu vage wird, mache ich mich mal nackig: Mein Sachbuch Die Freiheit nehm ich dir erschien Anfang Juli 2016 beim Rotpunktverlag mit einer Startauflage von 3000 Exemplaren. Wenn man nicht gerade ein Star-Autor ist, beginnen die meisten Bücher zwischen 1500 und 4000 Exemplaren. Selbst Verlage wie C.H. Beck, Suhrkamp oder Hanser gehen bei Sachbüchern unbekannter Autoren selten höher. Die Startauflagen in der Belletristik liegen oft ein bisschen darüber.
Was habe ich mit dem Buch verdient? Bis Ende 2016 hatte ich 2854 Printexemplare verkauft. Das Buch kostet im Handel 9,90 Euro. Davon gehen 7 Prozent Mehrwertsteuer ab, bleibt also ein sogenannter Nettoladenpreis von 9,25 Euro. Pro verkauftem Exemplar verdient der Buchhändler rund 40 Prozent, bei kleineren Verlagen verlangt Amazon sogar 50 Prozent. (Überlegen Sie sich also gut, wo Sie Ihre Bücher erwerben.) Als Autor erhalte ich pro verkauftem Exemplar deutlich weniger, nämlich zehn Prozent pro verkauftem Exemplar, also 0,93 Euro. Dieser Betrag wird mit den verkauften Printexemplaren multipliziert, macht rund 2600 Euro. Die zehn Prozent Honorar sind übrigens schon das obere Limit, bei manchen Verlagen gibt es nur um die sechs Prozent für ein Taschenbuch. Hinzu kommen noch 325 verkaufte E-Books, pro Stück bekomme ich einen Euro. (Ja, ich verdiene mit E-Books mehr als mit Printbüchern.) Somit habe in den ersten sechs Verkaufsmonaten um die 2925 Euro verdient.
Von dieser Summe gehen natürlich noch die Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträge bei der Künstlersozialkasse ab - und weil ich Freiberufler bin, auch Krankheits- und Urlaubstage, für die ich keinerlei Geld erhalte. Geld wiederum gibt es für so ein Buch einmalig von der VG Wort, die die Verwertungsrechte für Autoren wahrnimmt, weil das Buch in Bibliotheken kopiert werden kann. Für ein Sachbuch bekommt man derzeit - unabhängig von Thema, Auflage oder Seitenumfang - einmalig 900 Euro.
Rechnet man die Förderung von 1200 Euro dazu, die ich während des Schreibens von der Rosa-Luxemburg-Stiftung bekommen habe, habe ich insgesamt rund 5000 Euro brutto mit dem Buch verdient. Angesichts der sieben Monate, die ich von der Ideenfindung bis zum fertigen Manuskript in Vollzeit an dem Buch gearbeitet habe, ist das nicht gerade viel. Mein grob geschätzter Stundenlohn als Buchautor liegt bei 6 Euro brutto.
Hier und da kommt eine Lesung hinzu, für die Autoren gewöhnlich 100 bis 400 Euro erhalten. Gut, inzwischen ist das Buch in der zweiten Auflage, aber wie bei fast allen Büchern plätschern die Verkäufe nach der Anfangszeit nur noch sanft vor sich hin. Der Buchhandel pendelt zwischen dem Frühlings- und Herbstprogramm; nach spätestens sechs Monaten muss die "Altware" den neuen Werken weichen.
Um über die Runden zu kommen, schreibe ich journalistische Artikel, lektoriere Broschüren, Magazine und Bücher. Angesichts des Zeitaufwands verdiene ich mit dem Korrekturlesen fremder Texte mindestens dreimal so viel wie mit dem Verfassen eigener Texte.
Warum schreiben bloß so viele Menschen Bücher angesichts dieser ernüchternden Zahlen? Viele Anfänger stürzen sich leidenschaftlich in ein Buchprojekt, informieren sich aber nicht über die Konditionen des Buchmarkts. Und sind dann schockiert, wenn sie nach der Veröffentlichung auf ihren Kontoauszug gucken. So erging es auch mir bei meinem ersten Buch vor fünf Jahren. Danach habe ich immer mal wieder Kolleginnen und Kollegen gefragt: "Warum schreibst du eigentlich?"
Und was ist mit den märchenhaften Vorschüssen?
Bei manchen Debütanten, die es dann auch beim Debüt belassen, ist es schlichtweg Kalkül: Ein Buch kommt immer gut im Lebenslauf - und öffnet vielleicht Türen für begehrte Jobs, journalistische Aufträge oder irgendwelche Beratertätigkeiten. Einige, aber nicht allzu viele antworten mit dem vermeintlich Offensichtlichen: "Ich liebe es zu schreiben, nichts macht mir mehr Spaß." Viele setzen entgegen aller Vernunft auf den erhofften Bestseller, der ihnen Ruhm und Reichtum einbringen möge, obwohl die Chancen selbst beim Roulette besser stünden.
Und was ist mit den märchenhaften Vorschüssen, von denen man immer wieder hört und liest? Barack Obama bekam von Penguin Random House, der weltweit größten Verlagsgruppe, mehr als 50 Millionen Euro für seine Memoiren - bevor er auch nur ein einziges Wort geschrieben hatte. Ein paar Prominenz-Kategorien drunter sieht das natürlich schon anders aus. Aber immerhin: In den veröffentlichungspflichtigen Einnahmen vom ehemaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück kann man nachlesen, dass er vom Hoffmann & Campe Verlag für jedes seiner Bücher zwischen 100 000 und 150 000 Euro gezahlt bekam.
Für nicht-Prominente sind solche Zahlen natürlich utopisch. Bei einem großen Fachverlag wie C.H. Beck oder einem mittelgroßen Verlag wie Matthes & Seitz kann man um die 3000 bis 6000 Euro Vorschuss bekommen. Der Vorschuss ist ein Garantiehonorar, muss also nicht zurückgezahlt werden. Allerdings wird er üblicherweise mit den verkauften Exemplaren verrechnet. Wer bei einem großen Publikumsverlag wie Goldmann, DuMont, Rowohlt oder S. Fischer mit einem populären Sachbuch oder einem Thriller unterkommt, kann als unbekannter Autor um die 10 000 bis 20 000 Euro Vorschuss für sein Erstlingswerk erhalten. Kleine und mittelgroße Verlage können meist nur null bis 2000 Euro zahlen.
In große Verlage aber kommt man fast nur über Literaturagenturen: Die großen Publikumsverlage bekommen täglich rund zehn unverlangt eingesandte Manuskripte von unbekannten Autoren; aus dieser gigantischen Auswahl veröffentlichen sie aber nur alle vier oder fünf Jahre ein Buch. Die Agenturen wählen mitunter sehr akribisch aus, welche Manuskripte sie vertreten wollen. Für ihre Vermittlung erhalten sie meist 15 Prozent der Honorare. In den USA werden schätzungsweise 90 Prozent aller gedruckten Bücher von Agenten vermittelt, in Deutschland um die 60 Prozent.
Für die meisten ist und bleibt das Bücherschreiben eine Art ehrenamtlicher Tätigkeit. Denn trotz des romantisch-verklärten Images vom "Kulturgut Buch" ist der Buchmarkt genauso knallhart und schnelllebig wie der Discounterpreiskampf oder der Markt für Smartphones.
Gibt es Auswege?
Ja, ich ärgere mich über die geringen Tantiemen: zehn Prozent sind einfach mies, wenn Amazon das Fünffache pro Buch kassiert. Gibt es Auswege? Kaum. Der Buchmarkt ist eben ein Markt wie jeder andere auch, er wird geregelt von Angebot und Nachfrage. Natürlich träume ich von einem Gesetz, das die Aufteilung der Gewinne regelt, aber dass das kommt, ist denkbar unwahrscheinlich.
Immerhin: Es gibt inzwischen einige Bestseller, die auf keiner Bestsellerliste auftauchen, zum Beispiel E-Books bei Amazon. Manche Autorinnen und Autoren erreichen da sechsstellige Verkaufszahlen, insbesondere im Belletristik-Bereich. Und die Tantiemen liegen bei begrüßenswerten 70 Prozent pro verkauftem Exemplar. Qualitativ reichen die Self-Publishing-Bücher inzwischen oft an die aus Publikumsverlagen heran. Allerdings muss man als selbstveröffentlichender Autor ohne die wichtige Öffentlichkeitsarbeit und das Prestige der etablierten Verlage klarkommen - und somit zum Beispiel auf Rezensionen in großen Tageszeitungen verzichten. Reich wird man also auch mit Self-Publishing eher nicht.
Patrick Spät, geboren 1982, Promotion in Philosophie 2010 an der Universität Freiburg. Er hat für verschiedene Verlage als freier Lektor gearbeitet und lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin.