Bildband:Nachtfahrt - ein Taxi Blues

Lesezeit: 1 min

(Foto: Josef Šnobl)

Von Carolin Gasteiger

"Die Großstadt ist zwischen vier und sechs Uhr morgens am schönsten; gesetzlos und wild, die Zeit ist aufgehoben. Jeder Nachtfahrer kann davon einen Blues singen." Unter diesem Motto erzählt Josef Šnobl in "Nachtfahrt - ein Taxi Blues" (Emons Verlag, 25 Euro) von 25 Jahren Taxifahren in Köln und seinen Begegnungen dort. Von orthodoxen Nonnen, hyperaktiven Junkies, eloquenten Kakadus, von Fahrten, die außer ihm niemand übernehmen wollte. Sein Stil ist nüchtern, er erzählt ohne zu verurteilen, manchmal auch ziemlich derb.

Šnobl, in Prag geboren, ist eigentlich Fotograf, und so zieren seine Erzählungen verschwommene Nachtaufnahmen. Regen, der wie ein Vorhang vor den Autos niedergeht, schemenhafte Gestalten an Laternen, futuristische Lichtreflexionen. Das Verschwommene dabei ist nicht Vorsatz, sondern liegt daran, dass Šnobl analog fotografiert hat. Auf dunklem Hintergrund gedruckt wirken die meist schwarz-weißen Aufnahmen ebenso verwaschen wie die Nächte, in denen sie aufgenommen wurden. Mit dem Taxifahren hat Šnobl stets gehadert, aber aus finanziellen Gründen konnte er nicht darauf verzichten. Von dieser Diskrepanz, der immanenten Distanz zur eigenen Tätigkeit, die immer wieder spürbar ist, lebt das Büchlein. Und fast ist es, als würde man Šnobl auf einer dieser Nachtfahrten begleiten. Köln spielt dabei als Schauplatz eine nachrangige Rolle. Wichtiger scheinen Šnobl die Begegnungen mit seinen Fahrgästen zu sein und der Reiz der Nacht natürlich. Šnobls Buch ist ein liebevolles Kaleidoskop, ein bisschen Tagebuch, ein bisschen Dokumentation. Jedes Kapitel versieht der Autor mit einem Bluessong, der Musik, die ihn auf den Taxifahrten begleitet hat. Zum Abschnitt "Die Asozialen" packt er Albert Kings "Murder", bei "Drogen" steht "Me and the Devil Blues" von Eric Clapton. Auf die Bluesmusik, die man per QR-Code auf Spotify anhören kann, hätte der Band zwar verzichten können, aber offenbar nicht Šnobls Fahrgäste: "Manche verlassen das Auto in einem glücklichen Zustand, für den Moment geheilt." Auch für Šnobl selbst hat "Nachtfahrt" etwas Therapiehaftes. Hätte er den Bildband nicht gemacht, wären ihm seine Taxifahrer-Jahre wie verlorene Zeit vorgekommen, meint er. So aber ist sein "Taxi Blues" ein ganz persönlicher, versöhnlicher Blick auf die Nacht.

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: