Die "Tribute von Panem" (The Hunger Games) zeigen, wie es auch geht: Die von Jennifer Lawrence verkörperte Hauptfigur ist eine Frau, die eine wichtige Aufgabe bewältigt, im Film zur Heldin wird und mit anderen Frauen redet - und das nicht bloß über Männer.
In vielen anderen Filmen haben Frauen - so sie denn auftauchen - immer noch erschreckend wenig zu sagen. Wie wenig zeigt ein 1985 von der US-amerikanischen Cartoonistin Alison Bechdel entwickelter Test. Der Bechdel-Test stellt drei simple Fragen, die klarstellen sollen, ob Frauen im Film ernst genommen werden und nicht als Projektionsfläche für abgedroschene Klischees dienen.
Vier schwedische Kinos haben den Test vor kurzem eingeführt - sie zeichnen Filme, die ihn bestehen mit einem "A" als eine Art Benotung aus. Das Ziel: Deutlich machen, wie viele (oder wie wenige) Filme durch dieses Raster fallen und langfristig mehr weibliche Geschichten und Perspektiven im Kino zeigen. Schließlich ist das gesellschaftliche Rollenverständnis von Frauen unter anderem auch durch deren Darstellung in Filmen und im Fernsehen beeinflusst. Unterstützt wird der Vorstoß der Kinos vom staatlich finanzierten Schwedischen Filminstitut.
Die Anforderungen, die der Bechdel-Test an einen Film stellt, sind lächerlich gering:
1. Kommt in dem Film mehr als eine Frau vor und haben sie einen Namen?
Es scheint selbstverständlich zu sein, aber viele Filme erfüllen nicht mal diese Kategorie. Ein Auftritt als namenlose Verkäuferin oder Nachbarin zählt nämlich nicht.
2. Sprechen die Frauen miteinander?
Hier wird es schon etwas komplizierter. In Harry Potter beispielsweise kommen zwar viele starke Frauencharaktere vor, aber sie sprechen selten miteinander. Nur sechs der acht Verfilmungen von Joanne K. Rowlings Romanreihe bestehen den Test. Oder James Bond. Er hat zwar immer ein paar Frauen an seiner Seite und in den vergangenen Jahren waren sie auch mal mehr als eine Bettgefährtin - zum Beispiel Gegenspielerin. Nichtsdestotrotz: Dialoge führten sie nicht miteinander. So verkommen sie zur Nebensächlichkeit, die nichts Substanzielles zu sagen hat.
3. Reden die Frauen miteinander über etwas anderes als Männer?
Zu viele Filme demonstrieren, dass Frauen anscheinend kein anderes Gesprächsthema als Männer kennen. In diese Kategorie gehört beispielsweise "Fluch der Karibik". Penélope Cruz und Keira Knightley reden bloß über "Jack" und "Will". Durchgefallen. Ein Gegenbeispiel ist die Serie "Orange is the New Black", in der fast ausschließlich Frauen mitspielen, die andere Gesprächsthemen haben als Männer.
In den meisten Blogs wurde die Einführung des Bechdel-Tests in schwedischen Kinos positiv kommentiert. Viele weisen aber auch auf seine Anfälligkeit hin. Eine fundierte Aussage über die Qualität des jeweiligen Films ermöglicht er nicht: Ein Film, der den Test besteht, kann immer noch sexistisch sein und einer, der durchfällt, vermag trotzdem eine wichtige Aussage zu treffen.
Besteht der Film den Test, heißt das zudem noch lange nicht, dass er feministisch ist, betont die Betreiberin eines schwedischen Kinos. Es geht dabei um die rein weibliche Präsenz, und dass sich die Frauen mit etwas anderem als Männern beschäftigen.
In größerem Zusammenhang ermöglicht der Bechdel-Test hingegen durchaus Rückschlüsse. Der Biologe Daniel Mariani hat den Bechdel-Test für seinen Blog analysiert und visualisiert. Aufgeschlüsselt nach Genres lässt sich daran ablesen, dass Horrorfilme beim Test sehr gut abschneiden (Platz zwei), auf Platz eins stehen Musikfilme. Dagegen erfüllen - wenig verwunderlich - nur rund 35 Prozent der Westernfilme und Kriegsfilme die Kriterien.
Film ist Unterhaltung - die die Gesellschaft aber prägt
Auch über die Länderverteilung (Österreich produziert die meisten gender-gerechten Filme) und vielen verschiedenen Auszeichnungen gibt die Statistik Auskunft. Filme, die beispielsweise mit dem Goldenen Bären ("Mutter und Sohn") geehrt wurden, haben den Bechdel-Test weitaus häufiger bestanden als Oscar-prämierte Filme ("The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten").
Eine Randnotiz hierzu: Frauen, die Sexszenen spielen, bekommen laut einer Statistik häufiger einen Oscar als Männer, die sich im Film ausziehen. Auch eine Studie des Annenberg Public Policy Centre von der University of Pennsylvania zeigt, wie die Rollen-Klischees in Filmen immer wieder Platz finden. 855 Filme, die zwischen 1950 und 2006 gedreht wurden, zeigen Frauen häufiger bei sexuellen Handlungen und Männer bei gewalttätigen.
Eine aktuelle Untersuchung des Centre for the Study of Women in Television and Film hat ergeben, dass Frauen in Filmen generell immer noch unterrepräsentiert sind. 2012 bis 2013 waren 43 Prozent der Filmcharaktere, die etwas zu sagen hatten, weiblich. Auch wenn diese Zahl mit dem Höchststand von 2007/2008 gleichzieht, bleiben die Stereotype. Weibliche Figuren sind im Schnitt jünger als männliche, sie sind weniger in einem Job zu sehen oder überhaupt beim Arbeiten, sondern werden eher beim Kochen, Haushalt machen oder Reden gezeigt.
Nicht nur diese drei Analysen machen deutlich, dass der Bechdel-Test auf etwas hinweist, das viel zu gerne übersehen wird: Film ist Unterhaltung. Aber eben auch etwas, das gesellschaftliches Rollenverständnis prägt und beeinflusst.
Unter den Filmen, die den Test bestanden haben, sind " No Country for Old Men", "Blue Jasmine" und - ja, wirklich - "Pretty Woman". Frauenrechtlerinnen dürfte das Testat für die Liebeskomödie nicht sonderlich freuen, aber außer Vivian, der von Julia Roberts verkörperten Prostituierten, gibt es in der Romanze noch ein weiteres Callgirl, das sogar einen Namen hat (Kit De Luca) und mit dem Vivian spricht. Und zwar nicht über Männer.