Autorin Donna Leon wird 70:Schöne Kunst des Mordens

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Sie tut, wovon andere nur träumen: In angenehmer Umgebung Kriminalromane schreiben und damit viel Geld verdienen. Gelungen ist ihr das nicht zuletzt durch Abwesenheit von Kalkül und Ruhmsucht - und einen Namen, den man schöner nicht hätte erfinden können. Nun wird Donna Leon siebzig.

Kristina Maidt-Zinke

Seien wir ehrlich: Ihre Karriere steht allen vor Augen, die davon träumen, jenseits der Lebensmitte in angenehmer Umgebung Kriminalromane zu schreiben und damit viel Geld zu verdienen. Aber wer so denkt, dem fehlt die erste Voraussetzung für eine vergleichbare Laufbahn: die Planlosigkeit oder, pathetisch formuliert, die Unschuld des Anfangs. Donna Leons Krimi-Debüt "Death at La Fenice", auf deutsch "Venezianisches Finale", das vor zwanzig Jahren eine spektakuläre Erfolgsserie einleitete, war tatsächlich ein im Freundeskreis ausgeheckter Spaß, inspiriert durch Backstage-Klatsch über Herbert von Karajan. Dass letzterer, wiedererkennbar in der Figur des ermordeten Dirigenten, als Opfer missbraucht wurde, wäre ein gefundenes Fressen für Literaturpolizisten gewesen, hätte der Maestro nicht realiter schon unter dem grünen Rasen geruht.

Die US-Schriftstellerin Donna Leon bei der Frankfurter Buchmesse 2006 (Foto: dapd)

So aber nahm das Märchen seinen Lauf: Die Täterin, aus New Jersey stammend und damals seit zehn Jahren in Venedig ansässig, ließ das Manuskript monatelang in der Schublade ruhen, bevor sie es, wiederum auf Anraten von Freunden, beim japanischen Suntory-Krimiwettbewerb einreichte und prompt den ersten Preis gewann. Der Rest ist Bestsellergeschichte.

Neben der Abwesenheit von Kalkül und Ruhmsucht begünstigten noch andere glückliche Umstände den Aufstieg der Literaturdozentin zur Krimi-Lady: Sie verfügte über einen Klarnamen, den man als Pseudonym nicht schöner hätte erfinden können, und sie hatte einen der ergiebigsten Schauplätze der Welt vor ihrer Haustür. Es war die Zeit, in der Italien als Reiseziel der lifestyle-affinen Kreise, welche die vormals kulturbeflissenen ersetzten, einen Boom erlebte. Und in der das Genre des Kriminalromans, zumal beim deutschen Publikum, als Auffangbecken für "gesunkenes Kulturgut" zu funktionieren begann, nämlich für die politischen Einsichten, Enttäuschungen und Resthoffnungen der Achtundsechziger, garniert mit wahlweise nord- oder südeuropäischem Flair: Henning Mankells depressiver Ermittler Wallander hatte seine Deutschlandpremiere im selben Jahr wie Donna Leons melancholischer Comissario Brunetti.

Wo die günstigen Umstände enden, beginnt das Handwerk

An den beiden schieden sich sogleich die Geister, denn Mankells Milieu ist hart, kalt und sozialrealistisch, während Leons Lagune, wiewohl ein Sumpf an Korruption, Geldgier, Umweltsünden und mafiosen Machenschaften, von expliziten Brutalitäten weitgehend frei bleibt. Wallander ist ein geschiedener, selbstquälerischer Einzelgänger, Brunetti ein sensibler Familienmensch mit guten Umgangsformen und kulinarischen Vorlieben. Donna Leon bekennt, dass sie Gewalt verabscheut und dass ihre Erinnerungen an eine harmonische Kindheit ebenso in ihre Ermittlerfigur eingeflossen sind wie ihr Bedürfnis nach einem sympathischen Helden. Essen, Trinken, Kochen indes bedeuten ihr viel weniger, als es den Anschein hat - hier macht sie Zugeständnisse an das, wonach es ihre Leser gelüstet.

Denn wo die günstigen Umstände enden, beginnt das Handwerk, als das sie die Krimischreiberei nüchtern einstuft. Der Unterschied zwischen "richtiger" Literatur und dem, was sie da spaßeshalber im Jahresrhythmus abliefert, ist ihr wichtig. Kein Wunder, hat sie doch über Jane Austen promoviert und über Henry James geforscht, bis sie merkte, dass der akademische Betrieb sie langweilte. Sie wurde Weltnomadin, unterrichtete englische Sprache und Literatur in Ländern wie Iran, China, Saudi-Arabien und landete schließlich auf der Außenstelle der Universität Maryland am Luftwaffenstützpunkt Vicenza, weil sie bei ihren Freunden im nahen Venedig die Familienwärme fand, die sie lange vermisst hatte. Es passt zu ihr, dass sie aufatmete, als der Krimi-Erfolg sie der Notwendigkeit enthob, beim Militär zu jobben.

Ihre Liebe zur Barockoper hat sich herumgesprochen, ebenso ihre mäzenatische Tätigkeit. Weniger bekannt ist ihr Engagement für Ökologie und Tierschutz: Ihre Lieblingskreatur ist ausgerechnet der Dachs, der jüngst in der deutschen Krimiszene in Verruf geriet. Sie führt ein denkbar unglamouröses Leben und hat keinen Fernseher, was ihr die Bizarrerien der deutschen Brunetti-Verfilmungen erspart. Dass sie an diesem Freitag siebzig wird, dürfte ihr egal sein, nicht aber den vielen Menschen, die sie als Person ungemein schätzen, ob sie nun Krimileser sind oder nicht.

© SZ vom 28.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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