Austropop:Graz hat's

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Man kann bei diesem Foto von "Granada" an ein Beatles-Cover denken: Alexander Cristof, Thomas Petritsch, Roland Hanslmeier, Jürgen Schmidt und Lukacz Custos (v. l.) lieben die Sounds von gestern. (Foto: Carina Antl)

"Granada" perfektionieren eine lässige Maunzigkeit. Ihr neues Album "Ge bitte" stellen sie gerade auf Tour vor

Von Christian Jooß-Bernau

Thomas Petritsch und Lukacz Custos teilen sich die Feindrehfilter für ihre Zigaretten. "Nach der zweiten Probe war ma eh schon alle sehr innig", sagt Thomas. Er findet auch, das Wichtigste sei doch, dass es menschlich passt, in einer Band. So knuffig wie die beiden vor dem SZ-Hochhaus unter dem Sonnenschirm sitzen, glaubt man ihnen das glatt. Ein bisschen geschafft sehen sie aus bei diesem Interview, haben am Wochenende einen Festivalauftritt hinter sich gebracht, gleich geht es weiter nach Berlin, dann Köln und dann heim mit dem Nachtzug. Zuhause ist für einen Musiker da, wo der Proberaum steht. Und das ist Graz.

Gerade ist ihr neues Album erschienen: "Ge bitte" heißt es, und so klingt es auch. Im ersten Song der neuen Platte nölt der Sänger mutmaßlich seine Freundin an: "Bitte geh ma ham / I bin scho so am wanken". Von Strophe zu Strophe entweicht dem Lappen noch ein weiterer Rest von Energie: "I wüll mi net mehr drahn / bitte bring mi ham". Es wäre so erbärmlich, würde die Snare Drum nicht unverdrossen durch die Nummer hüpfen. Im Verbund mit der Patina der E-Gitarre möchte man fast an Brit-Rock denken. Im Hintergrund aber, da schaukelt ein Akkordeon wie ein Flussschiffchen. Alexander Christofs Akkordeon ist überhaupt immer da, weniger als Instrument, mehr als Heimatgefühl. Granada, das ist die beste schlechte Laune die man haben kann, wenn einen die Freundin verlassen hat, man aber leicht angesoffen so einen warmen Hauch Optimismus im Magen spürt, der sich am nächsten Morgen in das Gefühl verwandeln wird, gleich speien zu müssen. So ist das, wenn man wirklich jung ist und sich nicht als vergilbender Mensch an die Jugend erinnert. "Grüße aus Graz / zu dir und ihm / aus Graz / nach scheiß Berlin", so grüßt der Sänger seine Ex, und einer geht noch: "Cheers Darling, i trink auf euch Zwa / a Bottle Rotwein und Wundbenzin".

Diese Band hat für sich auf mittlerweile zwei Alben eine eigene Maunzigkeit erfunden, die in der Natur des Lebens liegt, die einen daran zweifeln lässt, ob dies wirklich die idealste aller möglichen Welten ist: aus der Piefke-Perspektive ist das typisch österreichisch. Austropop halt. Wahlweise Neo-Austropop. Thomas und Lukacz sind zu höflich, um darüber laut zu seufzen. Es gibt sie halt, die "Schubladisierung", wie Thomas sagt. Aber der Mensch braucht Anhaltspunkte. Ursprünglich hatte Thomas ein Projekt namens Effi - englisch mit unüberhörbar elektronischen Anteilen - und dann sollte er für den Film "Planet Ottakring" Lieder schreiben - passend zum Sujet auf Österreichisch. So suchte er sich Musiker, aus denen Granada wurde. Die eigene Stimme fühlte sich anfangs fremd an. Die ersten Demos habe er noch ans Wienerische angelehnt, dann hat er einen Mittelweg gefunden: nicht zu sehr grazerisch, nicht zu sehr steirisch. Ergebnis ist eine Art Universal-Österreichisch, das man auch in Berlin fast versteht.

Die Sprache mit ihren weichen Vokalen und schmückenden Dialektausdrücken, sie muss flexibel sein, denn eigentlich, sagt Thomas, entstehe der Text aus der Melodie, rundherum um die Keimzellen von kleinen Einfällen. Die Botschaft des Songs erschließt sich der Band nach und nach. "Die Stodt" ist eine Nummer, der man Ansätze eines politischen Bewusstseins anhört: "Siehgst du a die Fahnen des Untergangs hochstehen?" Allein, es bleibt beim vagen Gefühl des Unbehagens, und angesprochen auf die neue rechtsnationalistische Regierung in ihrem Heimatland ist ihnen nicht viel Meinung zu entlocken. "Österreich ist generell ein bissl ein latentes Land", sagt Lukacz. Und latent spürbar ist der Absturz hinter der Party eben auch bei Granada.

Vertrieben wird ihr neues Album über Sony Music. Aber die reden ihnen nicht rein, sagen sie. Granada veröffentlichen auf ihrem eigenen kleinen Label Karmarama, das Manager Bernhard Kaufmann mit der Bandentstehung gegründet hat. Über drei Jahre formte sich aus dem Filmprojekt Granada die Band Granada. Und entwickelte auf sich gestellt einen Retro-Sound, der vordergründig die Stones, Dylan, ein wenig Reggae und aktuellen Indie-Pop liebt. Hinter den Kulissen, da liegt die Liebe zum Alten im Detail. In der Harmony Jupiter beispielsweise, von der Gitarrist Lukasz erzählt wie von seiner Freundin, oder in dem alten Akustik-Amp von Guild mit dem irren Federhall. Die alten Sachen, "sie zicken halt oftmals sehr herum," sagt Thomas, aber Granada wollen als Band auch nicht glatt durch den Hörerkopf flutschen. Höhere Verkaufszahlen, das ist nicht vorrangig ihr Ziel, fragt man sie nach den Zukunftsplänen. Sie setzen auf das künstlerische Risiko - zumindest ein bisserl.

Granada ; Sa., 14. Juli, Love, Peace & Blasmusik, Regensburg, Schloss Pürkelgut; Di., 11. Dezember, Muffathalle; alle Sommertermine: www.granadamusik.com

© SZ vom 13.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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