Ausstellungen:Metropolis in Afrika

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Der Kontinent hat aufregende Aspekte einer neuen Stadtkultur entwickelt, die in zwei Ausstellungen im Maxxi Museum in Rom gezeigt werden. Die Stadt als Durchlauferhitzer.

Von Andrian Kreye

Die Stadt als Rausch, als Durchlauferhitzer der Sehnsüchte und funkelnde Verheißung - in Nairobi, Dakar oder Johannesburg hat sich in den letzten Jahren nicht nur eine neue urbane Gesellschaft auf den Weg gemacht, sondern auch eine zeitgenössische Kultur, die den meisten im Norden ein großes Rätsel bleibt. Viel zu stark sind die Bilder von verwirrenden Megacitys, brutalen Realitäten und gefährlichen Völkerwanderungen nach Europa und Amerika, um zu sehen, was sich auf einem ganzen Kontinent gerade zu einer Blüte entwickelt. Der nigerianische Kurator Okwui Enwezor, der bis vor Kurzem noch als Direktor des Münchner Hauses der Kunst fungierte, und seine Kollegin Koyo Kouoh aus Kamerun waren die Ersten, die diesen Aufbruch in die traditionellen Kulturmetropolen transportierten, nach New York, London und Paris.

Im Maxxi Museum für Kunst des 21. Jahrhunderts in Rom sind in diesem Sommer zwei Ausstellungen zu sehen, die diese Arbeit fortsetzen, "African Metropolis - eine imaginäre Stadt" und "Road to Justice - Erinnerung, Wut und Versöhnung". Die Wahl des Ortes erscheint logisch. Italien ist nicht nur geografisch dem anderen Kontinent näher. Die afrikanischen Einwanderer spielen dort längst schon eine sehr viel stärkere Rolle als zum Beispiel in Deutschland. Und auch das Gebäude selbst, jener Betonbau, den die Architektin Zaha Hadid mit kurvenreichen Galerien und Stegen als einen rauschhaften Durchlauferhitzer plante, passt perfekt.

Die mehr als 100 Arbeiten von 34 Künstlern, die in "African Metropolis" zu sehen sind, ergeben ein angemessen komplexes Bild dieser neuen Großstadtkultur. Nicht alle Arbeiten sind so deutlich an ein nördliches Publikum gerichtet wie die majestätischen Bilder des angolanischen Fotografen Kiluanji Kia Henda. Der postierte für seinen Zyklus "Le Merchant de Venise" afrikanische Straßenhändler wie venezianische Adlige in die prächtige Kulisse von Venedig. Mimi Cherono Ng'oks Bilder jugendlicher Männerkörper sind da nicht ganz so leicht zu entschlüsseln. Weil sie mit ihren Bildern nach Identität sucht, nicht nach dem Körper.

Auch wenn die Fotografie den afrikanischen Aufbruch vor allem über die Fotobiennale in Bamako als Erste ins Ausland brachte, sind es doch die Skulpturen und Gemälde, die zeigen, wie sich die afrikanische Großstadtkultur eigene Definitionen von Ästhetik sucht. James Webbs Neonskulpturen "There is a light that never goes out" transportieren die gleißende Unruhe der Megacitys mit einer solchen Eleganz, dass sich der doppelte Sinn der arabischen und chinesischen Schriftzüge erst auf den zweiten Blick erschließt. Der Kameruner Pascale Marthine Tayou wiederum verwandelt die auf dem Kopf in den Raum gehängten Slumhütten seiner Installation "Falling Houses" in abstrakte Himmelskörper.

Die neue Ästhetik hat schon ihre eigene Geschichte. Lavar Munroes "Gun Dogs", bedrohliche Kampfbestien aus Sperrmüllmaterialien, sind ein direktes Zitat der Fotos, die der südafrikanische Fotograf Pieter Hugo von den nigerianischen Hyänenmännern gemacht hat. Die Dokumentation eines Balletts in Nairobis Elendsviertel Kibera, die die ugandische Künstlerin Sarah Waiswa gemacht hat, nimmt die Bildsprache des Fotografen Malick Sidibé auf, des Chronisten der postkolonialen Jugendkultur seiner Heimat Mali.

Dagegen wirken die politischen Arbeiten der Künstler in der Ausstellung "Road to Justice" fast schon zu direkt. Sicher schafft die Sonne beim Südafrikaner Kendell Geers aus Schlagstöcken mit den Mitteln der Pop Art einen plakativen Effekt der Anklage. John Akomfrahs Videoinstallation "Peripeteia" arbeitet das Trauma der Sklaverei mit aufdringlicher Emotionalität auf. Und doch ist es dann Sue Williamsons Videoinstallation " It's a Pleasure to Meet You", die den stärksten Eindruck hinterlässt. Gerade weil in ihr die politische Aufarbeitung und die zeitgenössische afrikanische Ästhetik zusammenfinden. Sie besteht aus zwei Projektionsflächen. Die eine zeigt einen jungen Mann, die andere eine junge Frau, beide haben ihre Väter durch die Gewalt der Apartheid verloren. Der junge Mann Syah Mgooduka kann nicht verzeihen. Die junge Frau Candice Mama hat im Rahmen eines Projekts der "Truth & Reconciliation"-Kommission den Mörder ihres Vaters getroffen. Sie plädiert auf Vergebung. Was so schlicht erscheint, entwickelt über eine knappe halbe Stunde eine betont minimalistische, urbane Bildsprache von einer Wucht gerade für den nördlichen Betrachter, die einen nicht so rasch wieder loslässt.

African Metropolis - una citta immaginaria. Bis 4. November. Road to Justice. Bis 14. Oktober. Beide im Maxxi Museo nationale delle arti del XXI secolo, Rom. Info: www.maxxi.art

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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