Ausstellung:Zu Fuß gehen, auf Augenhöhe predigen

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Die Dominikaner feiern ihr 800-jähriges Bestehen. Die Geschichte des Ordens ist glanzvoll, wie eine Ausstellung in Regensburg belegt.

Von Rudolf Neumaier

Der Jesuit Franziskus I., Papst und der überzeugteste Fahrgast der Welt, wäre ein mustergültiger Dominikaner. Mit seinem Verzicht auf Luxuslimousinen verkörpert er wie nur wenige andere Päpste der 2000-jährigen Kirchengeschichte die Ideale jenes Ordensgründers Dominikus und übrigens auch des Religionsgründers selbst. Kein Wunder, dass die Menschen schon zu Dominiks Zeiten, im 13. Jahrhundert, vom christlichen Glauben abfielen: Der Klerus verkündete ihnen vom Pferd herab, von weit oben also, nur er könne den Weg bahnen zum ewigen Seelenheil. Dominik hingegen reiste erst gar nicht mit dem Pferd, er ging zu Fuß - und predigte auf Augenhöhe. Die Kirche steckte zu Dominiks Zeit in der gleichen Krise wie heute. Es gebrach ihr an Glaubwürdigkeit.

Dominiks Orden wird in diesem Jahr 800 Jahre alt, zum Jubiläum präsentiert er in Regensburg seine Geschichte in einer Ausstellung. Sie hat den Titel "Mehr als Schwarz und Weiß" - eine Anspielung sowohl auf die Farben des Habits als auch auf das facettenreiche und wechselvolle Wirken der Gemeinschaft. Die Geschichte beginnt glanzvoll. Die Ideen des Glaubensgründers waren geradezu modern. Alle anderen Ordensgemeinschaften hatten sich zur Kontemplation zurückgezogen. Als erster Orden gingen die Dominikaner in die Städte und unter die Leute. Die Regensburger Dominikanerkirche St. Blasius, die Projektleiter Pater Elias Füllenbach und die Kuratorin Susanne Biber zum größten Exponat erklären, ist beispielhaft für den dominikanischen Anspruch: Wir wollen sie alle!

Illustration im Chorbuch des Regensburger Dominikanerinnenklosters Hl. Kreuz aus dem Jahr 1491. (Foto: Josef Zink/Bischöfliche Zentralbibliothek Regensburg)

Wer Mitte des 13. Jahrhunderts ein gewaltiges Bauwerk von mehr als siebzig Metern Länge und einer Breite von fast 25 Metern hinstellen konnte, hatte hohen Zuspruch aus der Bevölkerung. Der schlug sich unter anderem auch in finanziellen Zuwendungen nieder: Wie in anderen Städten wurden die Dominikaner auch in Regensburg von den wohlhabenden Zünften gefördert. Die Sehnsucht nach theologisch kompetenter Seelsorge muss sehr groß gewesen sein.

Politische Geistliche beeinflussten nach dem Krieg die Programme der deutschen Parteien

Auf die Bildung seiner Ordensleute hatte schon Dominik selbst größten Wert gelegt. Sie entwickelten sich schnell zu einer intellektuellen Elite im Klerus. Bedeutende Gelehrte wie Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Meister Eckhart waren Dominikaner. Allerdings ließen sie sich schon früh von den Päpsten als Inquisitoren einspannen. Ein Schreiben von Papst Gregor IX. aus dem Jahr 1231, das in Regensburg wie viele andere Dokumente nur als Faksimile ausgestellt ist, verordnet den Dominikanern geheimdienstliche Aufgaben bei der Suche nach Häretikern: "Falls ihr Schuldige oder Verdächtige findet, die den kirchlichen Geboten nicht bedingungslos gehorchen wollen, sollt ihr gegen diese vorgehen." Die Inquisition ist ein dunkler Fleck in der Geschichte des Ordens, der sonst für kirchliche Verhältnisse extrem fortschrittlich wirkt. Schon im Mittelalter verfuhr er nach demokratischen Prinzipien: Die Oberen werden seither auf Zeit gewählt.

All die Päpste, Heiligen und Seligen, die der Ordo fratrum Praedicatorum hervorbrachte, der Predigerorden, drängen Patres wie den Belgier Dominique Pire sowie die Deutschen Eberhard Welty und Franziskus Maria Stratmann etwas in den Hintergrund. Die Regensburger Ausstellung erinnert an diese politischen Geistlichen des 20. Jahrhunderts: Pire erhielt im Jahr 1958 den Friedensnobelpreis, nachdem er mehrere Hilfsorganisationen gegründet hatte und nach dem Zweiten Weltkrieg zu den bedeutendsten Flüchtlingshelfern in Europa zählte. Der Sozialethiker Eberhard Welty wirkte 1946 maßgeblich am Grundsatzprogramm der CDU mit. Weil er einen "christlichen Sozialismus" propagierte, nahm sein Einfluss in dieser Partei nach und nach ab - Welty aber engagierte sich dann auch für die SPD und brachte seine Vorstellungen ins Godesberger Programm ein.

Zu den eindrucksvollsten Exponaten zählt ein Brief von Pater Stratmann vom 10. April 1933. Der Dominikaner schreibt dem Münchner Erzbischof Michael Faulhaber: "Niemand protestiert wirksam gegen diese unbeschreibliche deutsche und christliche Schmach. Selbst Priester fühlen ihre antisemitischen Instinkte durch dieses sündhafte Treiben befriedigt." Der deutsche Episkopat blieb stumm. Da Stratmann offen Widerstand gegen die Nationalsozialisten betrieb, wurde er wenige Monate später in Schutzhaft genommen. Er konnte nach Rom fliehen. Geistliche wie er krönen die 800-jährige Geschichte dieses Ordens. Und sie machen ihre Kirche glaubwürdiger.

Mehr als Schwarz und Weiß. 800 Jahre Dominikanerorden. Dominikanerkirche St. Blasius, Regensburg. Bis 15. August. Begleitband (Pustet-Verlag Regensburg, 359 Seiten) 25 Euro.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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