Ausstellung:Skandal! Mythos! Moderne! XI!

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(Foto: Stadtmuseum Berlin)

Von Jens Bisky

Sie wollten anregen, nicht ermüden, beabsichtigten "erfrischende Realität im Kunstgenuß". Also taten sie sich zusammen und gründeten 1892 in Berlin die "Vereinigung der XI", eine kurzlebige, nur sieben Jahre bestehende Künstlergruppe, die jedoch lange nachwirken sollte. Max Liebermann und Walter Leistikow waren dabei, der Farbenzauberer Franz Skarbina, Hans Herrmann, Ludwig von Hofmann und einige andere. Im Kunstsalon Eduard Schulte am Pariser Platz präsentierten sie ihre Werke in kleinen, selbst kuratierten Ausstellungen. Das Berliner Bröhan-Museum dokumentiert in der bezaubernden Ausstellung "Skandal! Mythos! Moderne!" die Geschichte der Vereinigung, den öffentlichen Streit über die "Anarchisten oder Halbnarren", wie empörte Kritiker sie nannten, und zeigt neben bekannten Werken auch eine Vielzahl selten gesehener Gemälde und Grafiken (bis 15. September, der Katalog kostet 23 Euro). Die Elf besaßen kein gemeinsames stilistisches Ideal, formulierten kein künstlerisches Manifest. Sie wollten auf keinen Fall im Meer der Mittelmäßigkeit untergehen, erprobten Organisationsformen für ihre Unabhängigkeit, bis sie 1899 in der Berliner Secession aufgingen. Es gab Streit und Wechsel - 1894 kam für den Landschaftsmaler Konrad Müller-Kurzwelly der Symbolist Max Klinger, 1897 wurde ein Platz für Dora Hitz frei, 1898 war Hans Baluschek mit seinen Vorstadtlandschaften ( unsere Abb.), die schon neusachlich-realistisch wirken, als Gast mit von der Partie.

In jenen Neunzigerjahren entstand die Form der Gruppenausstellung in privaten Galerien, mit den Elf entwickelte sich in der Hauptstadt eine vielfältige, privat organisierte Kunstszene konkurrierender Künstlergruppen. Rasch erwies sich, wie wichtig Skandale, öffentliche Attacken und Verteidigungen, die Polarisierung der Urteile waren, um die Aufmerksamkeit eines Großstadtpublikums zu gewinnen. Es ist ein eigenes Vergnügen, in der Ausstellung zu verfolgen, wie unterschiedlich sich die persönlichen Handschriften auf der Suche nach einer zeitgemäßen Bildsprache entwickelten. Leistikow verzichtete in seinen Landschaften auf Menschen, Erzählerisches. Hans Herrmann vereinte Genreszene und impressionistische Stimmungskunst. Symbole und Jugendstilmarotten tauchen auf, die moderne Lebenswelt wird Thema. Und über allem liegt ein Frühlicht des Aufbruchs.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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