Ausstellung:Kunst der Freundschaft

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Der Maler Georg Schrimpf ist heute fast vergessen. Das Schlossmuseum Murnau zeigt seine Bilder und zeichnet die enge Verbindung zu Oskar Maria Graf nach

Von Sabine Reithmaier

Georg Schrimpf und Oskar Maria Graf lernen sich 1911 in Schwabing kennen. Der junge Bäckergeselle Graf ist erst seit wenigen Wochen in München, als er auf der Suche nach Anschluss den gelernten Konditor Schrimpf in Erich Mühsams Gruppe "Tat" kennenlernte. "In kurzer Zeit waren wir die besten Freunde. Ich klagte ihm mein Leid und hielt mich an ihn", schreibt Graf in "Wir sind Gefangene. Ein Bekenntnis". Das Schlossmuseum Murnau zeichnet in einer sehenswerten Ausstellung die Freundschaft zwischen dem Schriftsteller (1894 bis 1967) und dem fast vergessenen Maler (1889 bis 1938) nach und liefert einen gelungenen Überblick über dessen Schaffen.

Die Motive Schrimpfs sind zeitlos: Er malt Frauen, Kinder, Porträts, Landschaften, alles in neu-sachlichem Stil ohne jedes Pathos, aber auf eine stille Weise doch sehr anrührend. Anlass, sich mit dem Klassizisten der Neuen Sachlichkeit zu beschäftigen, bot dem Museum das Gemälde "Staffelsee" (1934), das 2016 als Dauerleihgabe ins Haus kam. Das großformatige Bild zieht sofort den Blick auf sich, fast übersieht man die "Kameraden", ein starkfarbiges frühes Bild, das eher wie eine Reigentanzszene wirkt. Schrimpf schuf es 1914, kurz vor dem Krieg, den er, wie Graf nach längerem Hin und Her ausgemustert, in München überstand.

Georg Schrimpfs Ölgemälde "Schlafende Mädchen" entstand 1926. (Foto: Roman März)

Die Viten der Freunde weisen zahlreiche Ähnlichkeiten auf. Beide verbindet eine schwierige Kindheit und Jugend in Bayern. Beide suchen sich den Weg in die Kunst autodidaktisch, schlagen sich mühsam mit vielen Jobs durch. Gemeinsam reisen sie 1913 nach Ascona, leben am Monte Verità, dem Zufluchtsort für Lebensreformer, Anarchisten und Künstler. Graf langweilt sich bald. "Die Kameraden waren zu pflanzlich für uns, zu ethisch, zu verworren", schreibt er, es war ihm da "zu still, zu gemütlich, zu reizlos". Schrimpf dagegen empfindet die Wochen in der Künstlerkolonie positiv. Er kopiert Akte von Michelangelo und Raffael, beginnt, ermutigt von Graf, intensiv zu zeichnen. "Die Blätter versteckte ich immer sehr sorgfältig. Ich wagte nicht, sie sehen zu lassen. Aber schließlich sah doch ein Freund, ein Dichter, damals noch ein Bäckergeselle, darüber, der dann einige Blätter an Pfemfert an die 'Aktion' schickte." Und Franz Pfemfert, Herausgeber dieser literarisch-politischen Berliner Zeitschrift, nahm sie auch an.

Schrimpf, der die ersten Bücher Grafs illustriert, auch dessen Indianergeschichte "Ua - Pua!", schlägt dem Freund vor, doch über Kunst zu schreiben und damit Geld zu verdienen, nachdem mit seinen Gedichten doch nichts zu verdienen sei. "Ich musste lachen, folgte ihm und - die betreffenden Kritiken fanden, obgleich ich farbenblind bin, überall großen Anklang." Graf schreibt über viele Künstler, aber besonders oft über seinen Freund, um ihn bekannter zu machen. "Es ist das Deutsche, das im Wesen dieses Künstlertums, dieser Bilder wirkt ... Es ist die unzerstörbare Macht des deutschen Gemüts", schreibt er 1923, und die pathetische Formulierung lässt schon ahnen, warum es den Nazis später leicht fiel, Teile von Schrimpfs Werk für sich zu vereinnahmen.

Das "Selbstbildnis mit Sohn" entstand 1932. (Foto: Nationalgalerie)

Die Freunde heiraten sogar fast gleichzeitig im Mai 1917. Allerdings stirbt Schrimpfs Frau, die Malerin Maria Uhden, im August 1919 kurz nach der Geburt von Sohn Marc, so benannt nach dem von Schrimpf hochgeschätzten Franz Marc. Seine Trauer verarbeitet er in Bildern mit klassisch komponierten, an italienischen Vorbildern orientierten Mutter-Kind-Szenen. Uhden verklärt er darin zu einer Madonna mit großen mandelförmigen Augen. Graf dagegen heiratet Lina Bretting, eine ehemalige Freundin Schrimpfs, verlässt sie aber kurz nach der Geburt von Tochter Annemarie im Juni 1918.

Verbunden sind die Freunde auch durch ihre politische Arbeit. "Beim Januarstreik 1918 waren wir beide wegen Verbreitung illegaler Literatur verhaftet und vierzehn Tage in Polizeigewahrsam gehalten worden" schreibt Graf später. Sie sitzen mehrmals im Gefängnis; der 1919 der KPD beigetretene Schrimpf auch deshalb, weil er einem steckbrieflich gesuchten Kommunisten bei der Flucht hilft.

Von den frühen Zwanzigerjahren an verbessert sich die wirtschaftlicher Lage für beide, sie gehen zunehmend eigene Wege. Schrimpf ist 1925 mit zwölf Bildern in der berühmten Ausstellung "Neue Sachlichkeit" vertreten, die Gustav Hartlaub in Mannheim veranstaltet. Er erhält Lehraufträge, etwa an der Städtischen Gewerbeschule München.

Später gingen Georg Schrimpf und Oskar Maria Graf getrennte Wege, anders als im Jahr 1915, als sich die beiden Freunde in Soldatenuniform fotografieren ließen. (Foto: Münchner Stadtbibliothek, Monacensia)

Doch dann wird Hitler Reichskanzler. "Als er da war, ging ich ins Exil. Ich wartete auf Georg, aber er kam nicht. Das enttäuschte mich, denn er war einer der wenigen Menschen, die mein Leben entscheidend mitgeformt hatten", schreibt Graf 1950. Schrimpf bleibt, reagiert in seiner Kunst nicht mit Opposition, sondern verlegt sich auf das Malen von menschenleeren Landschaften. Zwar wird ein frühes Bild von ihm 1937 in der Ausstellung "entartete Kunst" gezeigt. Doch der Raum, in dem es hängt, wird auf Intervention von "Führerstellvertreter" Rudolf Heß schon nach einem Tag geschlossen; bis heute weiß man nicht, welches Bild es war. Doch auch der Minister kann nicht verhindern, dass Bilder von Schrimpf aus Museen entfernt werden. Seine kommunistische Vergangenheit holt ihn ein, er verliert seine Professur in Berlin. Doch Heß, der in seiner Villa schon zwei Schrimpf-Gemälde hängen hat, erteilt dem Maler den Auftrag, für seinen Amtssitz eine Typologie deutscher Landschaften zu erstellen. Schrimpf beginnt, doch dann stirbt er überraschend im April 1938 an einem Herzleiden.

Sein Freund resümiert Jahre später und für seine Verhältnisse sehr mild in seinem "Barocken Malerporträt", erschienen 1950 in den "Mitmenschen": "Er war daheimgeblieben, und alles, was um ihn vorging, war nicht mehr zu verhindern. Man musste es in Kauf nehmen, denn - Hand aufs Herz - wer von uns ist ein Held in solchen Zeiten beständiger Lebensgefahr? ... Er verschloss sich, versuchte nichts mehr zu sehen und zu hören, und nur die Angst blieb und steigerte sich fast zum Verfolgungswahn." Geblieben aber sind seine Landschaften, lauter idyllische Sehnsuchtsorte.

Mein Freund, der Maler. Georg Schrimpf und Oskar Maria Graf , bis 3.11., Schlossmuseum Murnau

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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