Zum Ende der Saison verlässt Aurélie Dupont die Spitze des Pariser Opernballetts. Die Direktorin will sich, wie es in einer Pressemitteilung der Oper hieß, von Ende Juli an auf eigene Projekte konzentrieren, darunter ein Buch, einen Dokumentarfilm und ein größeres Zeitbudget für die Familie. Mit der Demission endet eine außergewöhnlich erfolgreiche und künstlerisch fruchtbare Karriere unter dem Dach der Pariser Oper. Als Tänzerin überstrahlte Dupont die meisten ihrer Kolleginnen auf der Bühne des Palais Garnier, ihre Ausdrucks- und Gestaltungskraft war phänomenal - der Schritt in die Leitungsfunktion allerdings eine Überraschung.
2016 trat die Ballerina die Nachfolge des glücklosen Benjamin Millepied an und versuchte einen Modernisierungskurs zu steuern, der nicht allenthalben auf Begeisterung stieß. Zu viel Neues, zu wenig Klassiker, ein hoher Krankenstand und Unzufriedenheit im 156 Köpfe zählenden Ensemble - all das wurde ihr angekreidet. Dazu kommen Herausforderungen, vor die sich das Ballett insgesamt gestellt sieht: mehr Diversität und eine postkoloniale Historisierung des Repertoires, was in einem Traditionstempel wie Paris keine einfache Mission ist. Dennoch erreichte Dupont in der laufenden Spielzeit eine Publikumsauslastung von fast hundert Prozent und damit - angesichts der Probleme rund um Corona - eine Traumquote.
Während sich die Neunundvierzigjährige künftig offenbar mehr um ihre beiden Söhne kümmern will und wohl auch mit dem Gedanken liebäugelt, ihre Tanzkarriere wieder aufzunehmen, bleibt die Kompanie vorerst kopflos zurück. Eine Interimsleitung wurde nicht benannt, eine Findungskommission soll Operndirektor Alexander Neef bei der Nachfolgesuche beraten. Was nicht einfach wird, schließlich hat mit Laurent Hilaire ein denkbarer Favorit gerade erst in München unterschrieben. Sicher ist: Der französische Tanzpatriotismus gebietet es, die Chefsuche im eigenen Land zu starten. Man darf gespannt sein.