Horst Königstein ist ein anerkannter Filmemacher, der zusammen mit Heinrich Breloer das Genre des Dokudramas weiterentwickelt hat. Jetzt hat er ein Porträt der Politikerin Birgit Breuel produziert. Gäbe es eine Fernsehreihe des Titels "Durch die rosarote Brille gesehen" - Königsteins "Die Treuhänderin" wäre darin bestens aufgehoben. Auch in einer Serie "Neunzig Minuten in gefühlten drei Stunden" wäre sein Film gut platziert.
Birgit Breuel stammt aus Hamburg, im persönlichen Umgang soll sie liebenswürdig sein, sie gilt als hanseatisch reserviert. Letzteres arbeitet der Film eindrücklich heraus. Frau Breuel hat nämlich offenbar keine Lust gehabt, über ihr wichtige Dinge und einschneidende Erlebnisse mit dem Filmemacher ausführlich zu reden. Das ist eine achtenswerte Haltung, aber eine schlechte Arbeitsgrundlage für ein Porträt.
Die Einsilbigkeit seiner Protagonistin hat Königstein aufzufangen gesucht, indem er Menschen ihres Umfelds über sie befragt hat. Breuels Ehemann ist aufgeschlossener, im Vergleich zu ihr wirkt er fast schon redselig. Was er sagt, lässt sich zusammenfassen mit dem Satz, dass sie eine großartige, starke Frau sei. Diesem Urteil pflichten auch alle übrigen bei, die Königstein befragt hat.
Anscheinend haben wir es mit einem exemplarischen Menschen zu tun: Die brave Tochter aus großbürgerlichem Haus hat niemals etwas falsch gemacht und wurde in der Folge eine angesehene CDU-Politikerin. Die Mutter dreier Söhne hat ihre Familienpflichten stets liebevoll erfüllt. Sie hat früh gelernt, dass man seine Arbeiten ordentlich zu machen hat. Weil der Vater, der Bankier Alwin Münchmeyer, seine Tochter nötigte, über den Verbleib ihres Taschengeldes minutiös Buch zu führen, hat sie die Gewohnheit, private Einnahmen und Ausgaben zu notieren, jahrzehntelang beibehalten. Der Film legt nahe, dass sie deshalb die perfekte Wahl als Chefin der Treuhand gewesen sei. Die musikalische Untermalung ist einer Fernsehwerbung für Weichspüler angemessen.
Nette Mutti aus einem Lore-Roman
Den Freunden des Dokudramas hat Königstein mit seinem Film einen Bärendienst erwiesen: Die attraktive, für die Rolle der Birgit Breuel viel zu junge Schauspielerin Johanna Christine Gehlen darf keinen einzigen interessanten Satz sagen. Öfter als erträglich wiederholt sie in überflüssigen Miniszenen die nichtssagenden Dinge, die Frau Breuel im Gespräch mit Königstein geäußert hat.
Birgit Breuel ist der neoliberalen Ideologie hörig, die da lautet, der Markt werde es schon richten. Die Praxis der Treuhand-Arbeit bewies das Gegenteil. Aber Frau Breuel verfügt über ein gutes Selbstbewusstsein und ist mit ihrer Arbeit zufrieden. Damals erwarb auch der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Albrecht, in dessen Kabinett Breuel jahrelang gesessen hatte, zu äußerst guten Konditionen ein Unternehmen von der Treuhand sowie ein großes, wertvolles Grundstück.
Aber dies wird, wie alles, worüber man gern mehr wüsste, in dem Film nicht thematisiert. Co-Autor Jan Bonny schreibt, der Film sei eine "höchst subjektive Auseinandersetzung mit Birgit Breuel", worunter er und Königstein offenbar verstehen, dass sie auf Breuels politische Tätigkeiten nicht näher eingehen mussten.
Selbst als süßlich-langatmige private Hommage ist "Die Treuhänderin" verfehlt. Frau Breuel wird darin dargestellt wie eine nette Mutti aus einem Lore-Roman, die dann auch mal über Milliarden disponierte. Es ist schwer vorstellbar, dass sie tatsächlich so eine banale Person sein soll.
Die Treuhänderin, ARD, Freitag, 23.25 Uhr.