Streit um Anne-Frank-Buch:Dringende Bitte

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Fotos von Anne Frank im renovierten Anne-Frank-Haus in Amsterdam. (Foto: Peter Dejong/AP)

Die Stadt Amsterdam will nicht mehr in den Danksagungen von umstrittenem Anne-Frank-Buch erwähnt werden.

Die Stadt Amsterdam hat den amerikanischen Verlag HarperCollins aufgefordert, ihren Namen aus den Danksagungen des umstrittenen Sachbuchs "The Betrayal of Anne Frank" zu streichen. Das berichtet der Spiegel unter Berufung auf ein Schreiben des stellvertretenden Amsterdamer Bürgermeisters Alexander Scholtes. Die niederländische Hauptstadt hatte die Recherche zum Buch einmalig mit 100 000 Euro unterstützt. Nach der Veröffentlichung der englischen und der niederländischen Ausgaben im Januar vergangenen Jahres, hatte es heftige Kritik von Anne-Frank-Experten gegeben.

"Die Stadt Amsterdam", so Vizebürgermeister Scholtes in dem Schreiben an HarperCollins-Chef Brian Murray, "hat in keiner Weise aktiv an dem Buch mitgewirkt und sich inzwischen nachdrücklich davon distanziert." Man fordere ihn "daher dringend auf, den Namen Amsterdam aus diesem Werk zu entfernen".

Die geplante deutsche Ausgabe des Buchs, die den Titel "Der Verrat an Anne Frank - Eine Ermittlung" tragen und Ende März 2022 veröffentlich werden sollte, ist bis heute nicht erschienen. Der niederländische Verlag zog das Werk nach der Kritik zurück. Auf Englisch ist es nach wie vor erhältlich, Anfang des Jahres erschien sogar eine Paperback-Ausgabe, was darauf schließen lässt, dass sich der Hardcover-Band mindestens passabel verkauft hat.

"Nach Ansicht maßgeblicher Wissenschaftler sind die Beweise immer noch nicht stichhaltig"

Dem Buch zugrunde liegen Recherchen eines sogenannten "Cold Case Teams" um den niederländischen Dokumentarfilmer Thijs Bayens und dem ehemaligen FBI-Agenten Vince Pankoke, nach denen Anne Frank nicht - wie bislang angenommen - von einem niederländischen Nazi-Kollaborateur verraten worden sein soll, sondern von einem führenden Mitglied des Amsterdamer Judenrats, dem jüdischen Notar Arnold van den Bergh. Bei der Untersuchung von Archivmaterial hat das Team nach eigenen Angaben mit künstlicher Intelligenz gearbeitet.

Das Ermittlungsergebnis, das den Erkenntnisse der seriösen Forschung vollkommen zuwider läuft und zudem antisemitische Ressentiments bedient, stellte sich allerdings schnell als äußerst angreifbar heraus. Nach schwerwiegenden Einwänden von Fachleuten musste das Team schließlich einräumen, doch nicht sicher sagen zu können, wer der Verräter gewesen sei.

Für die englischsprachige Taschenbuchausgabe wurden entsprechend Änderungen vorgenommen. Dem stellvertretenden Amsterdamer Bürgermeister gehen sie jedoch längst nicht weit genug: "Nach Ansicht maßgeblicher Wissenschaftler sind die Beweise und die Argumentation immer noch nicht stichhaltig." Scholtes weist in seinem Brief außerdem darauf hin, "wie schmerzhaft der Zweite Weltkrieg und der Holocaust für die jüdischen und viele andere Einwohner Amsterdams und ihre Angehörigen und Nachkommen sind. Die Erforschung des nicht wieder gutzumachenden Leids und Unrechts, das der jüdischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg zugefügt wurde, sollte mit größter Sorgfalt erfolgen."

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