Anna Netrebko und ihre Agentur:"Negative Gefühle"

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Wegen ihrer Nähe zu Wladimir Putin, das Foto stammt aus dem Jahr 2008, gerät Anna Netrebko derzeit immer stärker unter Druck. (Foto: Dmitry Lovetsky/AP)

Anna Netrebko und ihre Künstleragentur gehen getrennte Wege. Damit werden Auftritte der Sängerin im Westen immer unwahrscheinlicher.

Von Reinhard J. Brembeck

Scheinbar ist das ein Abschied auf Raten: Anna Netrebko und die Bühnen der westlichen Welt verlieren sich nach und nach aus den Augen und Ohren. Die derzeit begehrteste Opernsängerin wurde im Westen immer wieder einmal für ihre Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin kritisiert, sie fand dessen Krim-Annexion unbedenklich, feierte im Kreml im Herbst vergangenen Jahres ihren 50. Geburtstag. Seit dem von Putin angestrengten Krieg gegen die Ukraine aber häuft sich die Kritik an Netrebko, die diesen Krieg zwar offiziell verurteilte, sich aber nicht gegen Putin positionierte. Etliche West-Engagements hat sie seither von sich aus abgesagt, andere wurden ihr gekündigt.

Jetzt ist es nach Medienberichten auch noch zur Trennung zwischen Netrebko und der sie im Westen vertretenden Berliner Künstleragentur CSAM gekommen, die auch Sänger und Sängerinnen wie Thomas Hampson, Rolando Villazón, Mojca Erdmann und Netrebkos Ehemann Yusif Eyvazov vertritt. Netrebko fehlt mittlerweile auf der Agenturwebsite, es gibt dazu keinen Kommentar. Auch auf der Homepage der Sängerin fehlt ein Hinweis auf die Trennung, unter "Kontakt" landet man da jetzt im www-Nirvana. Allerdings werden auf der Website ab Ende Mai auch noch Netrebkos Auftritte in Paris, Mailand, Luzern, Wien und Madrid angekündigt.

In England, Polen und Prag wurden Werke von Tschaikowsky abgesagt

Ob diese Auftritte stattfinden werden, ist derzeit nicht abzusehen, doch bei Fortdauer des Krieges gegen die Ukraine wird das immer unwahrscheinlicher. Musikerauftritte sind ohne eine vermittelnde Agentur nur schwer planbar, außerdem möchte derzeit kein Veranstalter das Risiko eingehen, dass ein Netrebko-Auftritt in einer Anti-Putin-Demonstration ausartet. In England, Polen und soeben auch in Prag wurden Aufführungen von Stücken des russischen Komponisten Peter Tschaikowsky abgesagt. Der Sprecher der Tschechischen Nationaloper erklärte zur Absage von Tschaikowskys Gogol-Oper "Das Pantöffelchen": "Wir haben Verständnis für die Entscheidung des Kreativteams, das Werk, das im aktuellen Kontext negative Gefühle hervorrufen könnte, nicht zu inszenieren."

Negative Gefühle: Das ist ein Euphemismus für schwere Verwerfungen und mögliche Randale, die mittlerweile viele Häuser fürchten, wenn russische Stücke gespielt werden oder Putin-nahe Künstler auftreten. Die Berliner Philharmoniker halten allerdings an ihrer für die Baden-Badener Osterfestspiele geplanten Neuinszenierung von Tschaikowskys "Pique Dame" fest. Der Chefdirigent der Berliner, Kirill Petrenko, wurde in Russland geboren und kam mit 18 Jahren nach Österreich. Er hat den Krieg schon zu Beginn verurteilt: "Der heimtückische und völkerrechtswidrige Angriff Putins auf die Ukraine ist ein Messer in den Rücken der ganzen friedlichen Welt. Es ist auch ein Angriff auf die Kunst, die bekanntlich über alle Grenzen hinaus verbindet." Bei den Osterfestspielen war übrigens auch ein gemeinsames Konzert mit Petrenko und Netrebko geplant. Das wurde allerdings schon vor drei Wochen einvernehmlich abgesagt.

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