Alben der Woche:Kein Zurück für Gina Wilde

"Sigur Rós" trösten über den Mangel an physischen Kontakten hinweg, Nick Cave nimmt eher Hörspiel als Konzert auf und Haiyti legt ein Opus magnum hin - schon wieder.

Haiyti - "Influencer" (Hayati / Warner)

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(Foto: dpa)

"Jede Bitch macht jetzt auf DIY / doch es gibt auch kein Zurück für Gina Wilde" - die immer noch nicht ganz geklärte Frage ist ja, ob Haiyti die intellektuellste deutsche Gangsta-Rapperin ist oder die nervöseste Gangsta-Intellektuelle des Landes? Und was wäre eigentlich genau der Unterschied? Ihr neues Album "Influencer" (nach "Sui Sui" schon ihre zweite brillante Platte in diesem Jahr) Opus magnum zu nennen, scheint jedenfalls irgendwie so oder so gleich angemessen.

Sigur Rós - "Odins Raven Magic" (Krunk/Warner)

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(Foto: Krunk/Warner)

Die isländischen Post-Rocker Sigur Rós haben eine eigene CBD-Öl-Linie entwickelt und zwar in den Varianten "Sleep" und "Wake". Kostenpunkt: je 58 Dollar für 30 Milliliter oder 99,95 Dollar im Paketpreis. CBD ist eines dieser Lifestyle-Produkte aus der "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass"-Geisteshaltung. Es wird aus Cannabis gewonnen, berauscht aber nicht. Und weil es das nicht tut, sprechen clevere Marketing-Menschen dem Extrakt Effekte zu, die sich weniger direkt messen lassen: Beruhigung etwa, besserer Schlaf, Hilfe bei Entzündungen, Krämpfen und Schmerzen, in letzter Konsequenz wohl auch Weltfrieden und besseres Wetter. Die Wissenschaft streitet da noch. Die Musiker von Sigur Rós verheißen indes dies: "Sleep" unterstütze "Körper und Geist, während du ins Himmlische driftest". "Wake" helfe hingegen, freier übersetzt, um mit der physischen Welt klarzukommen. Gar nicht so leicht, davon jetzt auf ihr neues Album zu kommen. Oder doch: "Odins Raven Magic" (Krunk/Warner) ist nämlich die Vertonung eines isländischen Gedichts aus dem 14. oder 15. Jahrhundert. Ein Orchesterwerk, das Sigur Rós zusammen mit Hilmar Örn Hilmarsson, Steindór Andersen und Maria Huld Markan Sigfúsdóttir vor 18 Jahren geschrieben, dann aber nie veröffentlicht haben. Es ist schwerst ätherisch, ziemlich schön, und es unterstützt Körper und Geist, während man ins Himmlische driftet. Und wenn man es nach dem Aufwachen hört, hilft es bestimmt auch dabei, mit der physischen Welt klarzukommen. Gibt gerade ja eh kaum physische Kontakte.

Nick Cave - "L.I.T.A.N.I.E.S." (Deutsche Grammophon)

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(Foto: Deutsche Grammophon)

Und damit noch schnell zum Finsternisfürsten Nick Cave. Der hat mit dem Komponisten Nicholas Lens ebenfalls ein Orchester-Werk aufgenommen: "L.I.T.A.N.I.E.S." (Deutsche Grammophon). Es klingt faszinierend intim, lichtdurchflutet und nah. Als säße man irgendwo zwischen Bratsche, Oboe und umhertupfendem Klavier. Was die Instrumente dann machen, ist allerdings mehr Hörspiel als Konzert. Zwiegespräche, Zickereien, verschattete Litaneien. Und damit durchaus anstrengend. Zumindest mit kurzer Recherche kann man Cave andererseits zugutehalten, dass er keine aufblasbare Sexpuppe von sich verkauft.

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(Foto: dpa)

Ist Haiyti die intellektuellste deutsche Gangsta-Rapperin ist oder die nervöseste Gangsta-Intellektuelle des Landes? Egal, weil sie schon das zweite großartige Album in diesem Jahr herausbringt.

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