Alben der Woche:Folter für alte, weiße Männer

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Hieß mit Nachnamen noch nie Rostock: Sängerin Yaenniver alias Jennifer Weist. (Foto: Viktor Schanz)

"Jennifer Rostock"-Frontfrau Jennifer Weist macht als Yaenniver smarten Sprechgesang. Dazu: Neues von "Khruangbin & Leon Bridges" und "Beach House".

Von den SZ-Popkritikern

(Foto: N/A)

Yaenniver - "Nackt"

Sängerin Yaenniver hat viel GV. Sagt sie. "Ich ficke jeden" heißt ein Song auf ihrem Solo-Debüt, das wiederum "Nackt" (Sony Music) heißt, und man ärgert sich direkt ein wenig, dass man so eingestiegen ist. Als Autor tapert man damit ja sofort in dieses komische Spannungsfeld zwischen triefender Gafferei und ironisch abgeklärtem Abnicken: Ui, Sex. Nun ja. Jedenfalls: Was die bisherige Frontfrau von Jennifer Rostock solo macht, ist ziemlich smarter Rap, der unter dem fast schon altertümlich anmutenden Begriff "Sprechgesang" womöglich sogar noch treffender firmiert. Es gibt ein paar richtig gute Beats - zu "Kifferin" zum Beispiel, zu "Intro" oder auch zu "Mädchen Mädchen". Luci van Org, besser bekannt als Lucilectric, darf da noch mal ihren einstigen Groß-Hit adaptieren, das Ganze wird darüber aber zu einem sehr wirkmächtigen Kommentar auf Missbrauch, Belästigung und alle angeblichen Grauzonen darunter, daneben und dazwischen. Und womöglich auch zur Folter für alte, weiße Männer. Jakob Biazza

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Beach House - "Once Twice Melody"

Klingt so vielleicht der Soundtrack zur großen Frühlingsneueröffnung unseres Alltagslebens? Der Himmel ist auf jeden Fall so weit und offen wie eh bei Beach House. Verlässlich pudert das Duo seit seinem WG-Küchen-Konsens-Album "Bloom" (2012) noch das graueste Gestirn mit musikalischen Kumuluswölkchen zu. Auch "Once Twice Melody" (Bella Union) klingt erst wie ein synthieinduzierter Zuckerschock. Aber trotz Stratosphärengesang und streichergesättigter Dreampop-Glukose kommt die Band aus Baltimore auch dieses Mal knapp am Kitsch vorbei. Achtzehn Songs wie achtzehn Gläser Rosé mit Restsüße in der lauen Abendsonne. Der Frühling kann kommen. Timo Posselt

(Foto: N/A)

Khruangbin & Leon Bridges - "Texas Moon"

Wo eine Sonne ist, muss auch ein Mond her, dachten sich die texanische Band Khruangbin und der Retro-Soul-Sänger Leon Bridges. Nach der gemeinsamen EP "Texas Sun" von 2019 folgt nun "Texas Moon" (Dead Oceans). Die Gitarren schlingern darauf psychedelisch zwischen Nahem Osten und Thailand, der Bass wabert dubbig und Leon Bridges singt mit Sahnebonbon-Stimme unter anderem von seiner Großmutter "Doris". Das ist genauso einnehmend, wie es der Songtitel verspricht. Khruangbin, die Welthandelsreisenden unter den Gitarrenbands, haben den Soulbarden Bridges nun also vollends adoptiert. Timo Posselt

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