Kurzkritik:Kulissenwechsel

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Sophokles' "Philoktet" in der Antikensammlung

Von Hanna Emunds, München

Manche Traditionen sind es wert, fortgeführt zu werden - so auch die Theaterspiele im Innenhof der Glyptothek, die es dort seit mehr als 30 Jahren jeden Sommer gibt. Nun ist die Glyptothek aber wegen Umbauarbeiten geschlossen und das noch bis mindestens Herbst 2020. Das Theater soll deswegen aber nicht ausfallen. In der gegenüberliegenden Antikensammlung gibt es schließlich auch einen Hof. Dort inszeniert Sven Schöcker in diesem Jahr Sophokles' "Philoktet". Bis zum 19. September wird das Stück jeden Abend, außer mittwochs, gezeigt. Die antike Tragödie erzählt die Geschichte von Odysseus (Alexander Wagner), der Philoktet (Benjamin Hirt) auf einer einsamen Insel zum Sterben zurücklässt, bis er dessen magischen Bogen braucht, um Troja zu stürzen.

Mit nur 55 Plätzen vermittelt der Innenhof der Antikensammlung nicht ganz die Mittelmeerstimmung wie der weinberankte Hof der Glyptothek. Und auch die testosterongeladenen Wut- und Schmerzensschreie der antiken Helden wirken hier weniger heldenhaft und mehr ohrenbetäubend, weil etwas zu laut für den kleinen Hof. Auch die Ausstattung der Bühne und der Schauspieler lässt dem Publikum nicht viel Raum für eigene Interpretationen: Von einem Holzgestell hängt ein Glasgefäß, aus dem Sand in eine Schale läuft - die Zeit wird knapp, der Herkules-Bogen muss nach Troja. Odysseus trägt ein blaues Gewand, schließlich hat er eine lange Irrfahrt über die Weltmeere hinter sich. Philoktet ist ganz rot gekleidet, wie das Blut, das aus seiner Wunde am Fuß strömt. Wenn er sich humpelnd die Holzrampe zu seiner Höhle hinaufquält, dann bangt der Zuschauer weniger um ihn, als darum, dass die ganze Konstruktion einstürzen könnte. Zur Beruhigung säuselt sanft die Livemusik von Marcus Tronsberg, Klänge von Gitarre, Saitentambourin und Klangschalen. Weniger sanft sind da die Darsteller, aber auch das steht ja durchaus in der Tradition der Theaterspiele in der Glyptothek, die damit nahtlos auf der anderen Seite des Königsplatzes fortgesetzt werden.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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