Kurzkritik:Echt spanisch

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Chick Corea mit "Spanish Heart" in der Philharmonie

Von Ralf Dombrowski, München

Das spanische Herz kann stolz sein. Bescheiden stolz wie bei Niño Josele, dessen Flamenco-Gitarre mit salvenartiger Präzision harmonisch und in der Wahl der musikalischen Ornamentierungen die Traditionen seines Instruments hinter sich lässt. Ritualisiert stolz wie bei dem Tänzer Nino del los Reyes, der mit großen Gesten und flinken Füßen zeigt, dass steppende Schritte auch ein Perkussionsinstrument sind. Eitel stolz wie bei dem Saxofonisten und Flötisten Jorge Pardo, der als einziger in der Band lieber sich selbst zuhört als den anderen. Vor allem aber kann es aus der Tiefe einer langjährigen Begeisterung stolz sein, die Chick Corea schon in den Siebzigern dazu verleitete, als Jazzmusiker nicht nur die Welt der Latin-Rhythmen, sondern auch deren Ursprünge in der spanischen Klangkultur zu erforschen.

Seitdem gehört diese Passion zur künstlerischen Identität des US-Amerikaners und führt dazu, dass er mit 78 Jahren und ungebremster Vitalität ein neunköpfiges Ensemble um die Welt führt, das zu den in sich stimmigsten und effektvollsten gehört, die er seit langem hatte. Dem "Spanish-Heart"-Programm gelingt vor enthusiasmiertem Publikum in der Philharmonie die Verknüpfung von arrangierter Komplexität und improvisierender Verständlichkeit, von subtil gelenkter individueller Virtuosität und nachempfindbarem Spaß.

Den Kern der beeindruckenden Gruppenenergie bildet Coreas Kommunikationsbedürfnis. Er spielt seine Partner an und will von ihnen gefordert werden, egal ob als Solist oder als Urheber von zuweilen haarsträubend vertrackten Arrangementdetails. Und sein Team ist souverän genug, diesen Wettkampf zwischen Intellekt und Leidenschaft mit demonstrativer Leichtigkeit bis hin zu ekstatisch gesteigerten Energiespitzen im Finale von Paco de Lucias "Zyryab" zu meistern. Übrigens in transparent klarem, perfektem Philharmonie-Sound trotz Nylonsaiten, Rhythmusgruppe, dreistimmigem Bläsersatz und umfassender Percussion. Es geht so vieles, wenn man nur will.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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