Kunstmarkt:Schnee von heute

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Am Wochenende hieß es, das Picassogemälde "Tête d'Arlequin", das 2012 in Rotterdam gestohlen wurde, sei in Rumänien wiedergefunden worden. Jetzt stellt sich aber heraus: Das Ganze war wohl ein Scherz zweier belgischer Regisseure.

Von Renate Meinhof

Da läuft sie durch den Wald, eine junge Frau im kamelhaarfarbenen Mantel, den Rucksack auf dem Rücken. Ein bisschen unsicher geht sie, vielleicht, weil der erste Schnee gefallen ist im Landkreis Tulcea, Ostrumänien, und der Weg unterm Weiß nicht eben, die Anspannung aber groß ist. Was, wenn sie, Mira Feticu, Schriftstellerin und Journalistin, jetzt hier, nahe dem Dorf Carcaliu, wo die russisch-stämmigen Lipowaner wohnen, tatsächlich Pablo Picassos "Harlekinkopf" von 1971 aus der Erde holt?

Holt sie aber nicht, denn es ist, wie sich in der Nacht zum Montag herausstellt, nur eine Fälschung, die sie da in die Kamera hält. Auf einem Video, das rumänische und niederländische Medien verbreiteten, kann man Mira Feticu in den Wald begleiten, sozusagen auf dem Holzweg. Doch schon am Sonntag hatte der Kunstexperte Peter van Beveren dem niederländischen Sender NOS gesagt: "Die Linien, die Farben, die Details passen nicht. Auf Grundlage dessen, was ich sehe, denke ich, dass es eine Fälschung ist."

Aber da hatte die Nachricht vom Fund des geraubten Picasso-Bildes die Kunstwelt längst in Aufregung versetzt, denn noch immer ist nicht geklärt, was tatsächlich mit den sieben Werken geschehen ist, die drei Rumänen in der nieseligen Nacht zum 16. Oktober 2012 aus der Rotterdamer Kunsthalle gestohlen hatten: Arbeiten von Matisse, Gauguin, Monet, Meijer de Haan, Freud und, eben, Picasso. Die Bilder gehörten zur Triton Collection, die das Unternehmerpaar Willem und Marijke Cordia zusammengetragen hatte.

Das Theaterstück der Belgier heißt "Die echte Kopie". Und worum geht's? Um Fälschungen

Selbstverständlich wollten die Diebe alles schnell zu Geld machen, was nicht gelang. Sie hatten keine Ahnung, was sie da im Kofferraum in ihre Heimat fuhren, nach Carcaliu in der Dobrudscha, da, wo Mira Feticu jetzt den falschen Picasso fand. So ging im Sommer 2013 die Nachricht um die Welt, Olga Dogaru, Mutter eines der Diebe, habe ausgesagt, die Bilder in ihrem Badeofen verbrannt zu haben, um die Beweise zu vernichten, um ihren Sohn zu schützen, Radu, den geliebten, der schon allerhand auf dem Kerbholz hatte. Später zog Olga Dogaru ihr Geständnis zurück. Carcaliu aber blieb das Dorf der "Barbaren", und wer im Sommer 2013 dort, am Fuß der Maciner Berge, unterwegs war, ahnte, dass es der verzweigten Familie Dogaru dort nicht mehr gut ergehen würde.

Mutter und Sohn und die anderen Mittäter kamen ins Gefängnis, sind aber nun alle wieder frei. Die Asche aus dem Ofen wurde analysiert. Ja, da waren Farbpigmente, sehr alte Nägel auch, doch bis heute wagt niemand zu behaupten, Radus Mama habe wirklich alle sieben Bilder verheizt. Gerade in den letzten Monaten hatte es in den Niederlanden Hinweise gegeben, dass noch Bilder existieren. Auch von Picassos "Harlekinkopf" war im Fernsehen die Rede.

Wohl genau dieser Nachrichten wegen kamen die belgischen Regisseure Yves Degryse und Bart Baele auf die Idee, ihr neues Stück mal anders zu vermarkten und sechs anonyme Briefe zu verschicken, in denen sie behaupten, den Weg zum Picasso zu kennen. Einer landete am 6. November bei Mira Feticu, die in Rumänien geboren wurde, aber in den Niederlanden lebt. Im Sommer hatte sie einen Roman über den Rotterdamer Kunstraub veröffentlicht.

Das Stück heißt "Die echte Kopie" und hatte am Donnerstag in Antwerpen Premiere. Es geht um den Kunstfälscher Geert Jansen, der den Kunstmarkt über Jahre, bis 1994, hinters Licht führte. "Ein Teil der Performance wurde in den vergangenen Monaten im Stillen vorbereitet mit der Absicht, Picassos ,Tête d'Arlequin' zurückzuholen", schrieben die Regisseure auf ihrer Website. "Wir werden uns in den kommenden Tagen mit weiteren Einzelheiten melden." Die Einzelheiten. Tja. So gern mag Mira Feticu darüber nicht reden. Sie hat das Bild jedenfalls der niederländischen Botschaft in Bukarest übergeben. Die schaltete die rumänische Staatsanwaltschaft ein. So nahmen die Dinge ihren Lauf.

Sie sind wohl Opfer eines Scherzes geworden, Frau Feticu? "Nein", sagt sie am Telefon, "ich bin kein Opfer, noch bin ich betrogen worden. Ich habe doch nur meine Pflicht getan. Und alles, was ich erlebe, kann ja in meine Literatur einfließen."

Auch das sagt sie noch. Na, dann mal ran an den Schreibtisch.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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