Berlinale 2015:Mit dem Taxi durch Teheran

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In seiner Heimat Iran hat der Regisseur Jafar Panahi Berufsverbot, ausreisen darf er er nicht. Trotzdem schafft er es immer wieder, Filme aus dem Land zu schmuggeln. Auf der Berlinale ist mit "Taxi" jetzt sein jüngstes Werk zu sehen.

Von Anke Sterneborg

Stellen wir uns vor, dass Jafar Panahi, der iranische Regisseur, der im Jahr 2010 in seiner Heimat mit einem 20-jährigen Berufsverbot belegt wurde, jetzt als Taxifahrer arbeitet. Schließlich muss man ja Geld verdienen. Er fährt also durch Teheran und sammelt Fahrgäste ein: einen Mann, der die Hinrichtung von Dieben fordert, eine Lehrerin, die dagegenhält - schließlich würden Diebe ja aus Not handeln. Ein Schwarzhändler mit einer Tasche voller verbotener Filme; ein Mann, der nach einem Motorradunfall unbedingt noch schnell sein Testament ablegen will; eine Menschenrechtsanwältin, die von einer Klientin erzählt, die so wie die Heldin von Panahis Film "Offside" ein Fußballspiel besuchen wollte.

Regisseur Jafar Panahi benutzt sein Taxi als Filmstudio

Nie wird es langweilig im Taxi, das nacheinander zum Schauplatz eines Krimis, eines Dramas, eines Thrillers, einer Komödie wird. Der Regisseur lehnt das Geld ab, das die Kunden ihm geben wollen, denn das Taxifahren ist natürlich nur ein Vorwand für einen Film, den Panahi trotz aller Verbote gedreht hat. Mit einer kleinen Kamera auf dem Armaturenbrett, die mal auf die Straße, mal auf die von Laiendarstellern gespielten Fahrgäste, mal auf den Fahrer gerichtet ist. Ein Film voller Widerspruchsgeist und Witz, weshalb man kaum anders kann, als an die gespitzten Bleistifte von Karikaturisten zu denken.

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Ende Januar hat Panahi in einem Statement verkündet, dass ihn nichts davon abhalten könne, weiterhin Filme zu machen. Seit das Berufsverbot verhängt wurde, hat er schon drei Filme auf USB-Sticks aus dem Land geschmuggelt und in Cannes und Berlin gezeigt. Nach "This is no Film" und "Closed Curtains", die vor allem vom beklemmenden Gefühl des Hausarrests erzählten, wirkt "Taxi" wie ein vitaler und befreiender Akt des Widerstands.

Hanebüchene Restriktionen - und wie sie unterwandert werden

Statt sich hinter verschlossenen Türen zu verstecken, drängt Panahi ans Tageslicht. Statt von Starre erzählt er von Bewegung in den Straßen von Teheran. Das erinnert an die langen Autofahrten in den Filmen seines Landsmanns Abbas Kiarostami. Wie bei ihm erfährt man auch hier im Vorbeifahren viel über das iranische Leben, über hanebüchene Restriktionen - vor allem aber auch darüber, wie sie an jeder Straßenecke unterwandert werden. Dabei wird das Auto zu einer Blase der Freiheit, in der alles möglich ist und alles ausgesprochen werden kann.

Nacheinander spielen in Panahis Taxi eine Komödie, ein Krimi und ein Thriller. (Foto: dpa)

Irgendwann fährt Jafar Panahi zur Schule, um seine Nichte Hana abzuholen. Auch die kleine Hana will einen Film machen, im Rahmen eines Schulprojekts. Sie hat sich alle Regeln aufgeschrieben, die sie erfüllen muss, von der islamischen Kleiderordnung über das Berührungsverbot zwischen Männern und Frauen bis zum Verbot der Schwarzmalerei. Hana ist ratlos. Wie soll sie die Realität abbilden, ohne sie zu zeigen? "Sie wollen nicht, dass es gezeigt wird, aber sie tun es", wundert sich das ebenso unschuldige wie kluge Mädchen. Später filmt sie einen Jungen, der einen Geldschein aufhebt, der einem Bräutigam aus der Tasche gefallen ist, und bittet ihn inständig, das Geld zurückzugeben: "Ich will doch Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit zeigen, du hast alles ruiniert, jetzt ist mein Film unzeigbar!"

Am Ende sagt einer der Fahrgäste zum taxifahrenden Regisseur: "Du bist wohl ganz unten angekommen!" Doch der Mann am Steuer lächelt, voller Zuversicht. Was wohl auch mit dem aktuellen iranischen Präsidenten Hassan Rohani zu tun haben dürfte und seiner für iranische Verhältnisse fortschrittlichen Haltung.

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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