Zeitumstellung:Man kann es nicht allen recht machen

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Seit 31. März gilt wieder die Sommerzeit, bis zum Herbst. Dann werden die Uhren zurückgestellt. Bis März 2021 gilt die Regel noch, danach soll jedes EU-Land selbst entscheiden, wie es weitergeht. Leser bewerten das Thema sehr unterschiedlich.

Nach dem Willen der EU-Parlamentarier ist im März 2021 Schluss mit der Zeitumstellung. Doch ob die Sommerzeit dann dauerhaft gilt, ist offen. Darüber entscheiden alle Mitgliedsländer einzeln. (Foto: epd)

Zu "Parlament als Populist" vom 27. März und "Der schrecklichste Morgen des Jahres" vom 26. März:

An die Schüler denken

Die Zeitumstellung und die gemeinsame mitteleuropäische Zeitzone dienen wie die meisten EU-Gesetze der Globalisierung und dem Verkehr der Personen und Waren. Sie dienen nicht der Mehrheit der Menschen, die "stationär" leben, also die meiste Zeit in einem Land. Für Durchreisende und europaweit agierende Firmen mag eine einheitliche Zeit praktisch sein, ebenso wie eine einheitliche Währung und offene Grenzen. Wie alle Vereinheitlichungen hat sie aber auch Nachteile, die für die meisten von uns die Vorteile überwiegen.

Besonders betroffen sind Kinder, die in der Schule leider keine Gleitzeit haben und empfindlich auf Veränderungen reagieren. Aber auch 80 Prozent der Erwachsenen in Deutschland wollen keine Zeitumstellung mehr, bei der Duldsamkeit der Deutschen ein erstaunlich hoher Wert. Warum sollte man auch drei Breitengrade in eine gemeinsame Zeitzone quetschen? In den USA sind es vier, in Russland sogar neun Zeitzonen, und diese Staaten funktionieren! Im Zeitalter des Handys, das sich bei jedem Grenzübertritt in ein neues Netz einloggt, wird es nicht so mühsam sein, wenn sich bei grenzüberschreitenden Urlaubsreisen die Zeit ändert. Und die globalisierten Firmen werden sich darauf einstellen müssen, denn wenn die EU nicht mal bei diesem Thema den Wunsch der Bürger erfüllen kann, wird es bald in sehr viel größeren Bereichen wieder einen Flickenteppich geben.

Ilona Mennerich, Glonn

Der Rede nicht wert

Wie glücklich und unbeschwert sorglos diese Menschen durch das Jahr spazieren! Und da springt mit einem Satz plötzlich und unerwartet, sozusagen aus heiterem Himmel, die Zeit mit hämisch grinsender und böse lachender Umstellung direkt auf den mit Blümchen umrandeten Weg. Leidgeprüft wälzen sich Mensch und Tier in schlaflosem Gram, Arztpraxen bersten und gefährdete Übertrittszeugnisse von Grundschülern rufen die Elternschar zu außerordentlichen Versammlungen. Ja, ja, Deutschland leidet, und mit ihm der Europäische Rat in nächtelangen Sitzungen. Das ist lächerlich traurige Realität. Angesichts der Katastrophen und der grausamen Schicksale weltweit ist es ein Hohn, über dieses Thema ein einziges Wort zu verlieren.

Friederike Karsten, München

Lassen, wie es ist

Dem Kommentar von Stefan Kornelius "Parlament als Populist" ist voll zuzustimmen. Besonders teile ich seine Auffassung, dass das Europaparlament besser die halbjährlichen Stimmungsausbrüche der Bürger (gemeint waren sicher auch die Bürgerinnen) bei der Entscheidung über die Abschaffung der Zeitumstellung ignoriert hätte. Herr Kornelius weist zu Recht darauf hin, dass die Sonne in Polen und Portugal nun mal zu anderen Zeiten auf- und untergeht. Man hat den Eindruck, dass sich das Parlament, ebenso wie die (vor allem deutsche) Mehrheit der Teilnehmer der EU-Online-Umfrage, von dem schönen Begriff "Sommerzeit" blenden ließ. Diese hat zwar im Sommer mit den langen Abenden große Vorteile, im Winter hätte sie dagegen den großen Nachteil, dass die Sonne in den Monaten Dezember und Januar erst nach neun Uhr aufgehen würde. Kann das jemand ernsthaft wollen? Vor allem Schüler und Schülerinnen können damit kaum einverstanden sein; dies dürfte es wert sein, dass sie auch deswegen mal auf die Straße gehen.

Dr. Walter Amann, Backnang

Zeitzonen bei Reisen bleiben

Schön, dass Sie anlässlich der Entscheidung des EU-Parlaments zur Abschaffung der Zeitumstellung den ganzen - wahrlich populistischen! - Unsinn aufs Korn genommen haben. Ich wage zu behaupten, dass ein beträchtlicher Teil derer, die sich den Umstellungstag tatsächlich als "schrecklichsten Morgen" (SZ-Titel!) imaginieren, von der Umstellung in Wirklichkeit gar nicht viel mitbekommen, weil ihr Handy diese automatisch über Nacht vornimmt ... und die - ohne sich auch nur einen Moment über die furchtbaren Folgen der Zeitdifferenzen Gedanken zu machen - in ferne Länder reisen, wo dann teils noch erheblich größere Zeitsprünge anfallen als die eine Stunde im März und Oktober.

Der Kommentar bringt allerdings die Themen Zeitumstellung und Zeitzonen ein wenig durcheinander: Dass in Europa bislang ein koordiniertes Zeitmanagement herrscht, liegt daran, dass die regelmäßigen Umstellungen erstens europaweit und zweitens am selben Tag erfolgen - und nicht daran, dass alle Länder in derselben Zeitzone wären. (Die Zonenzeiten reichen ja von der Westeuropäischen Zeit / WEZ - England, Portugal, etc. - über die Mitteleuropäische Zeit / MEZ - gültig in der Mehrzahl der Länder - bis zur Osteuropäischen Zeit - Finnland, Griechenland etc.). Diese im Prinzip durch die geografische Lage bedingten Zeitunterschiede sind von den Zeitumstellungen unberührt, da ja, wie gesagt, alle gleichzeitig umstellen. Wenn ich nach England fahre, muss ich die Uhr immer um eine Stunde zurückstellen, egal zu welcher Jahreszeit ich unterwegs bin. Nun kann es zwar sein, dass einzelne Länder ihre Zugehörigkeit zu ihrer bisherigen Zeitzone überdenken (dies trifft vor allem auf Spanien zu, das geografisch eigentlich in die WEZ statt in die MEZ gehört, also de facto schon ohne die Zeitumstellung im März in einer permanenten Sommerzeit lebt). Das hat aber höchstens indirekt mit der Frage zu tun, wie sich die einzelnen Länder nach einer EU-weiten Abschaffung der Zeitumstellung "zeitlich" positionieren.

Und noch eine Bitte, den tendenziösen Begriff "Winterzeit" doch ersatzlos zu streichen. Vor Einführung der Sommerzeit hat kein Mensch von einer Winterzeit geredet. Es war (und ist) die Normalzeit der jeweiligen Zeitzone. Tendenziös ist "Winterzeit" (ein Terminus, der sogar bei der EU-Onlinebefragung benutzt wurde!) deshalb, weil bei der Alternative "dauerhafte Sommer- oder Winterzeit" viele Menschen, die sich mit der Materie vielleicht nicht so genau auseinandergesetzt haben, dann lieber die viel hübscher klingende Sommerzeit gewählt haben.

Mathias Günther, Hamburg

Die beste Lösung gilt jetzt

Sommerzeit ist Lebensqualität. Klar, man ringt ein paar Tage mit der Umstellung, hat dann aber über ein halbes Jahr abends länger Tageslicht. Das ist ein echter Gewinn. Die Zeitumstellung abzuschaffen bedeutet einen Verlust, ein Weniger an langen Sommerabenden. Ich will diesen Verlust nicht. Und es wäre auch nicht angenehm, wenn es im Sommer noch eine Stunde früher hell wird - was hätten wir davon, wenn der Tag schon mitten in der Nacht anbricht? Wenn man die Sommerzeit zur Dauerzeit macht, dann bleiben zwar die Vorteile im Sommerhalbjahr erhalten, aber dann wird es im Winter morgens gar nicht hell. Ist das besser? Der natürliche Wechsel der Jahreszeiten mit den sich ändernden Zeiten von Sonnenauf- und Sonnenuntergang macht einfach die jetzige Regelung mit der Zeitumstellung zur besten Lösung. Und wie bei Reisen in andere Zeitzonen kann man Zeitumstellungen trainieren. Lassen wir bitte die Zeitumstellung wie sie ist - alles andere bedeutet weniger Lebensqualität. Populismus führt praktisch immer zu weniger Lebensqualität.

Michael Zirpel, Berlin

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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