SZ-Werkstatt:Ziemlich düster

Als SZ-Korrespondent in Buenos Aires versuchte Peter Burghardt, ein weltoffenes, tolerantes Bild von Deutschland zu vermitteln. Doch was erlebt er nun in Meck-Pomm?

Von Peter Burghardt

Wir waren lange weit weg von Deutschland, ungefähr 12 000 Kilometer, aber das Thema Deutschland kam uns dort oft sehr nah. Nach Buenos Aires, wo ich bis Ende 2014 als SZ-Korrespondent lebte und arbeitete, flüchteten einst viele verfolgte Juden und auch etliche Kriegsverbrecher der Nazis. Das Interesse an Deutschland ist groß in Argentinien, und wir gaben uns Mühe, das Bild eines heutzutage weltoffenen und toleranten Alemania zu vermitteln, weg vom Klischee der kühlen Ordnung. Bis vor einiger Zeit hätte ich nicht gedacht, dass ich es nach meiner Rückkehr nach Deutschland so intensiv mit alten Parolen und aggressiver Stimmung zu tun bekommen würde.

Beim Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern benützt außer der NPD auch die AfD ein Vokabular, von dem man gehofft hatte, es würde irgendwann aussterben. Da wimmelt es nur so von Volk, Vaterland und Patrioten. Da ist von "verbrauchten Altparteien" die Rede, von einer "Kanzlerdiktatorin", von "inländerfeindlicher Politik", "Asylchaos", "Abgrund". Von rechtsextremen Übergriffen dagegen kaum ein Wort. Journalisten sind schnell Vertreter der "Lügenpresse". Möglicherweise bekommen die Rechtspopulisten mehr als 20 Prozent der Stimmen.

Dabei ist Mecklenburg-Vorpommern eines der schönsten Bundesländer, dünn besiedelt, flach wie die argentinische Pampa und voller Entdeckungen. Schwerin, Stralsund, Usedom, Rügen. Flüchtlinge? Gibt es in dieser Gegend kaum. Aber wenn die Sonne sinkt, dann wird es in der Provinz zwischen Feldern, Stränden und Alleen ziemlich schnell düster. Kürzlich tuckerte ich nach einem abgeriegelten Merkel-Termin in Neustrelitz hinter einem Sattelschlepper durch Dörfer, bei denen neben dunklen Fenstern einzig die Reklame von Tankstelle oder Discountern leuchtete.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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