SZ-Werkstatt:Vermintes Gelände

Seit Mitte November berichtet Alexandra Föderl-Schmid aus Israel. Sie hat festgestellt, dass in diesem Konflikt auch mit Worten gekämpft wird.

Von Alexandra Föderl-Schmid

"Gleich geht es los. Wo ist deine Schutzweste?", fragt der Kollege des libanesischen Fernsehens, der mich in Ramallah mit dem Auto mitgenommen hat zum Checkpoint Bet El, wohin Hunderte Palästinenser nach einer Demonstration im Stadtzentrum hinströmen. Tatsächlich brennen binnen Minuten Barrikaden, die Palästinenser werfen Steine auf die israelischen Grenzpolizisten, die zurückschießen: zuerst mit Gummigeschossen, später scharf. Uniformierte mit der Waffe in der Hand drängen Journalisten zurück, die plötzlich mittendrin stehen im Steine- und im Kugelhagel. Kollegen, die schon länger über die Auseinandersetzungen berichten, haben Gasmasken mit, als Tränengasbomben fliegen.

Mit Vehemenz ist der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis nach der Erklärung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, wieder aufgebrochen. Er verdrängt andere berichtenswerte Themen, etwa die vielen israelischen Start-ups. Das ist eine andere Welt, entkoppelt von dem, was nur wenige Kilometer entfernt passiert. Das Desinteresse an der Politik verbindet die Start-upper in Tel Aviv mit jungen Menschen im Gazastreifen, die beide zu dem Schluss kommen, es gebe keine Hoffnung auf Frieden.

Gekämpft wird auch mit Worten: Selbst wenn ein Moschav eine Siedlung sei, so dürfe man diese nicht so nennen, wenn sie sich in der Nähe des Gazastreifens befinde - denn damit würden diese Orte mit den jüdischen Siedlungen im Westjordanland gleichgesetzt, meinen einige SZ-Leser. Andere wiederum kritisieren die Formulierung "Palästinenser-Präsident". Man schreibe ja auch nicht "Deutschen-Präsident". Der Nahe Osten ist auch sprachlich ein vermintes Gelände.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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