SZ-Werkstatt:König der Tweets

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Claus Hulverscheidt, New-York-Korrespondent der SZ, über das vergangene Jahr mit dem US-Präsidenten - und was in dieser Zeit so alles liegengeblieben ist.

Von Claus Hulverscheidt

Seit einer Woche hat Donald Trump ein gutes Dutzend neuer Freunde. So hat er es selbst gesagt, nachdem er in Davos mit den Chefs von 15 europäischen Konzernen zu Abend gegessen hatte. Das Treffen, bei dem die Bosse dem Präsidenten reihum für dessen Steuerreform dankten und versprachen, Jobs in den USA zu schaffen, erinnerte mich ein bisschen an die Stuhlkreise, die zur Grundschulzeit meiner beiden Söhne üblich waren.

Nun könnte man denken, Europas Top-Manager gingen fortan im Weißen Haus ein und aus. Doch weit gefehlt: Ihr Gastgeber hat wahrscheinlich längst vergessen, wie der Herr Dingsbums von Volvo und der Herr Sowieso von Siemens hießen - jedenfalls so lange, bis er sich mit der konkreten Investitionsentscheidung eines der Konzerne bei Twitter brüsten kann. Alles wie immer also im Staate Trump.

Was sich dagegen sehr wohl verändert hat, ist die Arbeit der SZ-Wirtschaftskorrespondenten in New York. Eigentlich sollen meine Kollegin Kathrin Werner und ich den Lesern ja Land und Leute, Menschen und Märkte, Konzerne und Kennzahlen näherbringen. Seit gut einem Jahr jedoch ist es meist dieser so ungewöhnliche Präsident, der uns auf Trab hält - mit Tweets und Unflätigkeiten ebenso wie mit Dekreten und Gesetzesplänen. Dabei bemühen wir uns um größtmögliche Fairness, Sorgfalt und Distanz, was gelegentlich dazu führt, dass uns Trump-Fans wie -Hasser gleichermaßen kritisieren.

Auch wenn die Berichterstattung über den Präsidenten zweifellos wichtig ist: In diesem Jahr wollen wir uns bemühen, wieder mehr Geschichten jenseits der politischen Volten zu schreiben, die in Washington jeden Tag geschlagen werden. Denn dieses wunderschöne, spannende, zugleich verrückte und zerrissene Land ist so viel mehr als einfach nur Trump-Land.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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