Sprache:Achtung, Hochspannung!

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Manchmal lebt es sich sicherer, wenn die Dinge nicht so spannend wären. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Ein Gastbeitrag des Autors und Sprachkritikers Michael Maar ist derart spannend, dass er die Leserinnen und Leser nachhaltig beschäftigt: Lässt sich die Inflation dieses Adjektivs stoppen?

Gastbeitrag "Warnung vor dem S-Wort" vom 5. April:

S wie "Süddeutsche"

Nachdem im Artikel von Michael Maar aus Platzgründen das fatale Wörtchen stets nur als S-Wort bezeichnet wird, nehme ich an, dass das S als Abkürzung für Süddeutsche Zeitung steht. Nur schade eben(t), dass am Ende hoffnungsvoll vom "Verebben" dieser Modeerscheinung gesprochen wird. Nein, das wäre nicht cool.

Erika Schwitulla, Vilshofen

Lecker würde reichen

Sie sprechen mir aus der Seele. Und dabei haben Sie einen Bereich noch ausgelassen. Mich nervt es ständig, wenn sich die Sprachmächtigkeit des Food-Journalismus darin erschöpft, mir Weine, Weingüter, Weinproduzenten, Restaurants, Köche, Köchinnen, Menüs und sonstige Lebensmittel als spannend zu charakterisieren.

Gerhard Reinelt, Heidelberg

Spannung vor der Wahl

Sie können sich eher nicht vorstellen, wie dankbar ich Ihnen und unserer Süddeutschen bin für diesen Artikel. Endlich prangert mal jemand den Missbrauch des eigentlich sehr ausdrucksvollen Worts "spannend" an, der sich in unsere Alltagssprache eingeschlichen hat.

Wirklich wütend hat mich der Begriff das erste Mal so richtig gemacht bei der US-Wahlberichterstattung 2016, als es in der Novembernacht um Hilary Clinton gegen Donald Trump ging. Die Zahl der Staaten stieg, die leider er gewann. Die Perspektiven verdüsterten sich, die Hoffnung auf einen guten Ausgang wurde zusehends geringer, aber eine Entscheidung gab es lang nicht, und den allermeisten Journalisten, egal bei welchem Radiosender, fiel nichts Besseres ein, als ihre jeweilige Zusammenfassung zu beenden mit den unterdimensionierten Worten, die Wahl bleibe spannend. Ich will in so einem Fall ganz schnell die beruhigende Gewissheit, dass das Drohende nicht eintritt. Das kann nicht "spannend" sein.

Wenn eine Katastrophe droht, dann ist doch das "S-Wort" nicht das, mit dem man die Situation beschreiben darf. Das als "spannend" zu bezeichnen, als handle es sich etwa um irgendetwas Belangloses, verharmlost die voraussichtlich furchtbare Alternative eines schlechten Ausgangs völlig. "Spannend" kann beispielsweise ein Krimi sein, aber davon hängt in der Realität eben nichts Entscheidendes ab. Spannend kann es auch im Sport sein, wenn es Spitz auf Knopf stehen mag zwischen zwei Teams. Wobei dieser Fall schon grenzwertig ist. Wenn wirklich Entscheidendes passieren könnte, verbietet sich diese nur den nach wie vor ungewissen, knappen Ausgang kennzeichnende Vokabel. Den allermeisten Reporterinnen und Reportern geht das essenzielle Gefühl dafür ab, was sie damit eben gerade nicht zum Ausdruck bringen.

Friedrich-Karl Bruhns, München

Fachjargon des Kulturjournalismus

Danke, lieber Michael Maar, dass Sie sich nun gleich über zwei Spalten hinweg über dieses S-Wort erregen, über dessen Missbrauch ich mich schon seit Jahren öffentlich und privat, wiederholt, unaufgefordert und ungehalten aufrege. Genau! Gleicher Zorn auch hier über diese sinnfrei verwendete Vokabel. Sie schreiben es, man darf wetten, dass wirklich jede Kultursendung das Wort in jeden dritten Satz packt, desgleichen die Feuilletons in den Zeitungen.

Angelika Boese, München

Auch spannend: tatsächlich

Herrlich, der Artikel von Michael Maar. Und wunderbar, dass er zum Schluss noch kurz auf die Marotte von Annalena Baerbock eingeht: Ich warte schon ewig darauf, dass sich mal einer sprachlich unserer Außenministerin annimmt, die dem Wörtchen "eben" ständig ein "t" anhängt. Wie soll man als Bürgerin einer Politikerin vertrauen, die nicht mal eine derart geringfügige Macke in den Griff bekommt?

Etwas anderes möchte ich Ihrem geschätzten Schreiber ans Herz legen: dieses unsägliche "tatsächlich", tagtäglich überwiegend zu hören von sogenannten Influencerinnen, wie man tatsächlich 20 Zentimenter lange "Spinnenbeine" an die Augen pinnt und andere sensationelle Schminktipps, aber auch tatsächlich von Moderatoren, Schauspielern, Comedians und politikerseits. Ich habe mittlerweile schon eine Tatsächlich-Phobie, die sich auf den Magen schlägt. Versteht mich da draußen irgendwer?

Inge Busch, München

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