Leserbriefe:Ringen um die Sterbehilfe

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Manche Menschen wünschen sich, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden. (Foto: bub/Imago/Becker&Bredel)

Beim Thema aktive Sterbehilfe diskutieren SZ-Leser nicht nur über das Ob, sondern auch darüber, wer die Verantwortung tragen soll.

" Neuer Gesetzentwurf zur Sterbehilfe" vom 14. Juni, " Die letzte Freiheit" vom 4.Juli, " Niemand soll sich überflüssig fühlen" vom 7. Juli:

Verantwortung liegt beim Staat

Es ist gut, dass der Bundestag eine Entschließung zur Suizidprävention verabschiedet hat, die die Regierung zum Handeln auffordert. Schlecht ist allerdings, dass es nicht gleichzeitig gelungen ist, ein gesetzliches Schutzkonzept zu etablieren, das die Assistenz beim Suizid auf solche Situationen beschränkt, in denen der Betroffene wirklich mit freiem Willen handelt. Zwar waren beide Vorschläge für ein entsprechendes Gesetz mangelhaft, was ihre Ablehnung verständlich macht. Es besteht nun aber die Gefahr, dass die Regelung der Suizidassistenz auf die lange Bank geschoben und über Jahre verzögert wird. Das darf nicht sein.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Tür für den assistierten Suizid sehr weit aufgemacht. Anders als in den anderen deutschsprachigen Ländern steht er allen offen, nicht nur denen, die sterbenskrank sind oder unerträglich leiden. Auch deshalb hat die deutsche Ärzteschaft schon 2021 klargemacht, dass sie den assistierten Suizid nicht als ihre Aufgabe betrachtet. Zwar mag der eine oder andere Arzt aus persönlichen Gründen anders handeln, aber kein Arzt darf zur Suizidassistenz gezwungen werden. Die Verantwortung dafür, Menschen vor einer tödlichen Entscheidung zu bewahren, die sie womöglich nicht frei treffen konnten, und Menschen, die zu einer freien Entscheidung fähig sind, die faktische Möglichkeit zum assistierten Suizid zu eröffnen, trägt der Staat.

Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass Beratung und wo nötig Begutachtung faktisch möglich und verfügbar sind, dass Menschen, deren Suizidwünsche unfrei sind, vor allem und umgehend Hilfe und Behandlung zuteil wird, und er muss einen Weg etablieren, auf dem frei handelnde Suizidwillige ohne ärztliche Verschreibung an tödliche Substanzen gelangen können, ohne dass dabei andere gefährdet werden. All dies ist zu komplex, um es dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Deshalb müssen Bundestag und Bundesregierung umgehend Stärken und Schwächen der beiden abgelehnten Entwürfe analysieren und daraus eine handhabbare Synthese schaffen, die den Namen eines Schutzkonzeptes wirklich verdient.

Prof. Dr. Thomas Pollmächer, München

Recht auf Selbsttötung

Menschen, die ihren leidenden Lieben das Sterben erleichtern wollen, warten schon lange auf ein Gesetz, das ihnen zumindest die Sicherheit gibt, für ihre Hilfeleistung zumindest nicht bestraft zu werden. Keiner weiß natürlich, wie er handeln würde, wenn die Situation bei ihm eintritt. Aber aktuell würde ich wohl, wenn der Gesetzgeber sich zu keiner Regelung aufraffen kann, das Risiko auf mich nehmen. Auch wenn das viele wohl für "moralisch verwerflich" halten. Den Wunsch eines Menschen, aus einem perspektivlosen Leben auszuscheiden, muss ich respektieren, auch wenn ich mir nachher sicher Vorwürfe machen werde. Ich hoffe, ich muss nie zu dieser Entscheidung kommen oder andere um diese Entscheidung bitten.

Thomas Spiewok, Hanau

Hospiz statt aktive Sterbehilfe

Ohne Zweifel ist es für Abgeordnete des Deutschen Bundestages aus humanistischen Gründen schwer, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden. Im Artikel zeigt sich die unterschiedliche Herangehensweise der im Bundestag vertretenen Parteien zum assistierten Suizid.

Die FDP nimmt eine klare Position ein, nämlich: Das Gesetz soll klarstellen, dass Hilfe zur Selbsttötung straffrei (möglich) ist. Dies, wie auch generell eine Möglichkeit zum assistierten Suizid gesetzlich zu verankern, ist konträr zur Hospizarbeit.

Hospizarbeit der Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen beinhaltet und ist deren Überzeugung, dass es in diesen Situationen Möglichkeiten gibt, betroffene Menschen humanistisch in ihrem Sterbeprozess zu begleiten. In dem, ohne Druck, die Selbsttötung kein Mittel ist. In diesen hospitalen Prozess werden die Angehörigen und Nahestehenden mit eingebunden.

Ich bin seit Jahren in der Hospizarbeit tätig. Wie sagte es die Gründerin der modernen Hospizbewegung, Dr. Cicely Saunders, "es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben".

Hans Pütz, Pfaffenhofen

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