Kulturpolitik:Deutsche Sprache, schwere Sprache, schöne Sprache?

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(Foto: Michael Holtschulte)

Die deutsche Sprache hat einen besseren Ruf verdient, meinte ein Gastautor. Leserinnen und Leser der SZ reagieren mit ihren Lieblingsversen aus Gedichten - und mit Widerspruch.

Gastbeitrag "Ist Deutsch hässlich?" vom 5. Dezember:

Ein Hoch auf die deutsche Sprache

Deutsch ist mitnichten hässlich! Hermann Hesse schrieb in seinem Siddhartha mal den schönen Satz, den ich bis heute auswendig aufsagen kann: "Die Stirn umgeben vom Glanz des klardenkenden Geistes." Es ist nur ein kurzer, aber dennoch wundervoller, geschmeidiger und herzerwärmender Ausspruch.

Auch die Dramen eines Friedrich Schiller haben einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. "Verschüttging" ist ein ebenso wundervolles Wort. Danke an dieser Stelle darum an den Autor dieses Beitrags. Mensch, da nehme ich ja gleich was mit. Die ersten Zeilen des zitierten Gedichts "Waldesnacht" von Paul Heyse markiere ich mit einem Textmarker, in der Hoffnung, dass sie sich mir einbrennen. Die Seite kommt gleich in mein Hausarchiv. Ein dreifaches Hoch auf die deutsche Sprache!

Michael Ayten, Trier

"Wir verpacken Ihre Present's"

Dieses Problem der mangelnden Wertschätzung des Deutschen treibt mich schon länger um, wobei ich dabei weniger an das negative Bild unserer Sprache im Ausland denke, sondern mehr daran Anstoß nehme, wie viele Deutsche selbst ihre Sprache gering schätzen und Ausdrücke nur allzu gerne gedankenlos und oft dazu noch fehlerhaft durch englische ersetzen.

Dazu nur ein Beispiel von vielen aus meiner Erfahrung. Bei einer Radtour im Taubertal kauften wir in einer Metzgerei Proviant ein, im Schaufenster ein Schild: "Wir verpacken Ihre Present's". Auf meine Nachfrage, warum dieses englische Wort, hieß es: "Das hört sich halt besser an." Ich konnte es mir nicht verkneifen, wenigstens auf den falschen Apostroph hinzuweisen. Gegen diese irrige Meinung müsste man also vorgehen, schon in Kindergarten und Schule, damit die Kinder spüren, wir haben eine Muttersprache und die gehört (zu) uns. Auch Journalisten sollten nicht gleich gedankenlos auf jeden Zug mit neuen Anglizismen aufspringen.

Dorothea Schmolze, Wilhelmsdorf

Gutturales Gebell

Natürlich ist Deutsch eine schöne Sprache. Richtig ist natürlich, dass das gutturale Gebell eines Adolf Hitler die Wahrnehmung unserer Sprache in der Welt schwer geschädigt hat. Die Deutschen tun jetzt aber auch alles, um die Schönheit ihrer Sprache insbesondere vor der Jugend zu verstecken oder die Sprache selbst zu demontieren. Die Schönheit einer Sprache offenbart sich am ehesten in der Dichtung, hier natürlich der Lyrik. Warum lernen unsere Kinder in der Schule keine Gedichte mehr? Wer einmal das Eichendorff-Gedicht gelernt hat ("Schläft ein Lied in allen Dingen / die da träumen fort und fort, / und die Welt hebt an zu singen, / triffst du nur das Zauberwort"), wird nie mehr bezweifeln, dass die deutsche Sprache schön sein kann. Im Übrigen würde das Lernen von Gedichten sicher auch die Lesekompetenz stärken. Aber der Jugend wird ja jetzt auch das wohl größte Sprachkunstwerk der deutschen Sprache verschwiegen, nachdem Goethes "Faust" aus dem Lehrplan für die Gymnasien gestrichen worden ist. Es soll Ausländer geben, die Deutsch lernen, nur um den "Faust" im Original lesen zu können.

Die Deutschen tragen aber auch fleißig zur "Verhässlichung" ihrer Sprache bei. Höchst überflüssige Anglizismen sind unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Erschwerend hinzu kommen die Gendersternchen, die den Rede- und Schreibfluss nachhaltig stören. Wer Gendersternchen benutzt, kann die deutsche Sprache nicht lieben. Aber vielleicht findet sich ja die neue deutsche Leitkultur in einem treffenden Zweizeiler von Robert Gernhardt: "Dich will ich loben: Hässliches, du hast so was Verlässliches."

Dr. Eckhard Klapp, Pullach

Sprachförderung durch Weltoffenheit

Ja, Deutsch hat den Ruf, eine schwere und nicht besonders wohlklingende Sprache zu sein. Das war, wie Roland Kaehlbrandt zeigt, auch früher schon so. Ich glaube, dass sich unser Image bereits sehr gebessert hat und dass es sich weiter bessern kann. Das wird aber vor allem davon abhängen, ob man uns als Land wahrnimmt, in dem man als Ausländer gerne studieren, arbeiten und leben möchte. Ein Land, dessen Bürger und Repräsentanten im Ausland freundlich und kompetent auftreten und mit denen man gerne zu tun hat. Je mehr dies der Fall ist, umso mehr Ausländer lernen Deutschland jenseits der Klischees kennen. Und dann wird es vielleicht auch wieder chic, unsere schwere und hässliche Sprache zu lernen.

Axel Lehmann, München

Unsinniges Loblied

Der Autor stimmt ein unsinniges und unnötiges sprachästhetisches Loblied an. Er zitiert aus Gedichten von Hesse und Heyse, Herbert Grönemeyer wird zum Kronzeugen der gegenwärtigen Schönheit des Deutschen. Doch darum geht es heute überhaupt nicht. Das Deutsche verliert in der Welt, weil es eben mit seinen häufig verwendeten Haupt- und Nebenparenthesen, seinen trennbaren Verben, bei denen das Präfix ans Satzende rutscht, seinen drei Artikelformen, seinen komplizierten Adjektivdeklinationen, seinen schwierigen Tempusformen sehr schwierig zu erlernen ist. Da hat man es und macht man es sich mit dem Englischen wesentlich leichter.

Deshalb ist es ganz unerheblich, ob man die deutsche Sprache hässlich oder schön findet. Das sind subjektive Kategorien, die für diejenigen, die Deutsch lernen wollen, nachrangig sind. Völlig überflüssig ist es auch, "den Reiz der deutschen Sprache ... wieder bekannt zu machen". Was wir, die Muttersprachler, allerdings tun können, ist, der nominalistischen Verunzierung der Sprache, wie sie von Politik und Bürokratie betrieben wird, entschiedener entgegentreten. Auch sollte sich der Journalismus und hier vor allem das Feuilleton selbst an die Nase fassen, weil dort allzu oft ein besonders elaborierter (in Wahrheit elitärer) Stil gepflegt wird, der auf Deutschanfänger abschreckend wirken muss.

Thomas Knuth, Berlin

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