Alternativmedizin:Ein heilloser Streit

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SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte (Illustration))

An Homöopathie und anderen Formen der Alternativmedizin scheiden sich die Geister: Ein SZ-Kommentar stößt auf Zuspruch - und lauten Protest.

Kommentar "Klare Kante" vom 28. Oktober:

Die Kraft des Glaubens

Werner Bartens bezeichnet mehrere Sparten der "Alternativmedizin" als wirkungslos, weil es für sie keine wissenschaftliche Basis gibt, und fordert die Politik auf, "entschieden gegen die unseriösen Angebote auf dem Gesundheitsmarkt vorzugehen". Diese Feststellung der Unwissenschaftlichkeit kann man auch auf religiöse Glaubensbekenntnisse beziehen und regierende Politiker auffordern, die Ausübung religiöser Handlungen zu verbieten. Warum geschieht das nicht? Weil es Menschen gibt, die trotz mangelnder wissenschaftlicher Beweise Kraft im Glauben finden.

Dr. Hans-Joachim Schemel, München

Unwissenschaftlich und gefährlich

Vielen Dank für Ihren hervorragenden Artikel "Klare Kante". Es ist beschämend, dass es in unserem Land nicht zu gelingen scheint, wirkungslose, unwissenschaftliche "Alternativmedizin" zurückzudrängen - selbst dann nicht, wenn bei bestimmten Präparaten Gesundheitsschäden (bei Überdosierung bis hin zur Todesfolge) die einzigen Wirkungen sind, manche Mittel also keineswegs so harmlos sind, wie viele vermuten.

Die "anthroposophische Medizin" Barium comp. zum Beispiel ist eine Mischung starker Gifte, zumindest eines davon von der Medizin selbst in Spuren strikt verboten. Trotzdem ist sie ausgerechnet als Kindermedizin zugelassen, mit einem illusorischen, nie bewiesenen Heilsversprechen. Die bei meinem Enkel aufgetretenen schweren Brechkrämpfe habe ich dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie dem Bundesgesundheitsministerium gemeldet. Die Antworten gingen auf meine Beschwerde nur zum Schein ein, geändert hat sich nichts.

Prof. i. R. Bernd Kramer, Regensburg

Verbotskultur

Die Verbotskultur greift um sich. Es sollte sich jeder seine individuelle Behandlung selbst aussuchen können. Wie denken Sie über Alkohol und Zigaretten? Dass diese Dinge schädlich sind, wurde ja schon tausendfach bestätigt. Müsste man in Ihren Augen bestimmt auch abschaffen, oder? Es ist natürlich immer leicht, sich über andere lustig zu machen ("Schwurblermethoden", "Quacksalber" und so weiter).

Caroline Brunner, Starnberg

Negative Erfahrungen

Herr Bartens hat seine Meinung wiedergegeben, welche anscheinend eine grundsätzliche Ablehnung der sogenannten "Alternativmedizin" darstellt. Grundlage seiner Ausführungen ist die Gedankenwelt des "Münsteraner Kreises" - eine Gruppierung, welche die Alternativmedizin verteufelt und als unwissenschaftlich darstellt. Zum Glück hat sich der "Münsteraner Kreis" aufgelöst - seine Betrachtung der Medikamentenwelt fand wohl doch nicht die breite Akzeptanz, welche das Ziel der Gruppierung war.

Herr Bartens scheint nicht zu bemerken, dass viele Patienten mit Produkten der chemischen Industrie negative Erfahrungen gemacht haben, welche auf unklaren Anwendungshinweisen, nicht vorhergesehenen Spätfolgen, Falschanwendung und mittlerweile auch in der Übermedikation beruhen. Die Nebenwirkungen und Wechselwirkungen vieler Medikamente summieren sich dermaßen, dass es für den einzelnen Patienten schwierig bis unmöglich wird, sich dem Folgeszenario der sich überlappenden Medikamentenwechselwirkungen ohne Schaden zu entziehen.

Ernst-Michael Beck, Isernhagen

Pflanzenheilkunde nicht irrational

In dem Artikel listet Werner Bartens die Phytotherapie, also die Lehre vom Einsatz pflanzlicher Arzneimittel, in nicht nachvollziehbarer Weise neben Homöopathie und anthroposophischer Medizin auf. Die Phytotherapie gehört keineswegs zu einer "irrationalen Parallelwelt". Sie arbeitet als ein Teilgebiet der Pharmakologie auf wissenschaftlicher Grundlage.

Dies wird etwa deutlich, wenn man einen Blick in die einschlägigen Publikationsorgane wirft wie die Zeitschrift für Phytotherapie oder Phytomedicine. Die hier publizierten Arbeiten unterliegen einer strengen Begutachtung und müssen den Richtlinien der "Good Clinical Practice" folgen. Auch von daher gesehen, fehlt jeglicher Anlass, die Anwendung pflanzlicher Arzneimittel in die Nähe einer "irrationalen Parallelwelt" zu rücken.

Prof. Dr. Rainer Schandry, München

Kamille wirkt

Schon wieder wird die Homöopathie kritisiert, dazu will ich nichts sagen, aber Phytotherapie ebenfalls als irrationale Parallelwelt zu diskreditieren, zeugt von eklatanten Wissenslücken. Denn seit quasi immer nutzt der Mensch Pflanzen wie etwa die Kamille, nachweislich wirksam gegen Entzündungen, oder Weidenrinde, die synthetisch als Aspirin nachgebaut wurde. Was daran ist verschwurbelt? Was Scharlatanerie? Ich würde mich sehr freuen, wenn genau argumentiert und nicht alles über einen Kamm geschoren würde. Diese Pauschalverurteilungen dürfen in einer seriösen Zeitung wie der SZ keinen Raum bekommen.

Annette Krusenbaum, Bad Staffelstein

Medizin nicht immer erfolgreich

Ich würde Herrn Bartens uneingeschränkt recht geben, dass Alternativmedizin unverantwortlich ist, wenn die Schulmedizin immer exakt und erfolgreich wäre. Erfolgversprechende Behandlungen auszuschlagen, um "Kügelchen zu essen", ist sicher kein guter Plan. Nur leider sieht es in der Praxis auch in der Schulmedizin nicht so glorreich aus wie in Herrn Bartens Theorie: Schon bei einfachen Erkältungssymptomen bewegen sich Ärzte meist im Reich der Vermutungen. Bei ungewöhnlicheren Krankheiten wandert man manchmal von einem Arzt zum nächsten, weil keiner die Symptomatik deuten kann.

Gerade im Bereich der psychischen Krankheiten schaut es immer noch sehr düster aus. Für einige Leiden gibt es keine effektiven Behandlungsmöglichkeiten, für andere nur sehr unspezifisch wirkende Medikamente. Psychopharmaka werden in vielen Fällen immer noch nach dem Versuch-und-Irrtums-Prinzip verabreicht, weil die Wirkung von Patient zu Patient weit auseinanderklafft.

Bei diesen Fällen bin ich froh über Alternativen, selbst wenn diese "nur" einen Placeboeffekt haben. Wenn zum Beispiel homöopathische Kügelchen oder auch Beten einem Angstpatienten helfen, dem zuvor nicht geholfen werden konnte, und nicht schaden (denn die Nebenwirkungen von Zuckerkügelchen sind definitiv geringer als die der meisten Medikamente), dann bin ich einfach nur froh, dass es diese Alternativen gibt. Finde ich hingegen eine wirksame Heilmethode auf wissenschaftlicher Basis, benötige ich keine "alternative" Medizin.

Holger Nachtigall, Sachsenried

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