Leserbriefe:Großer Starrsinn oder großer Staatsmann?

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Altkanzler Gerhard Schröder beim Interview in der Parlamentsredaktion der SZ in Berlin. (Foto: Friedrich Bungert/Friedrich Bungert)

Der Altkanzler und Putin-Vertraute hat der SZ Einblicke in seine Gedanken gegeben. Manche Leser erkennen in Gerhard Schröders Äußerungen Uneinsichtigkeit, andere finden, die SPD sollte ihn wieder ernster nehmen.

"Ich bereue nichts" vom 14. Oktober:

Angenehm überrascht

Es war für mich eine Freude und Überraschung, beim Scrollen die provozierende Überschrift "Ich bereue nichts" über das Gespräch mit Gerhard Schröder zu lesen. Nachdem auch die SZ besonders zu Beginn des Ukraine-Krieges gnadenlos auf Schröder "eingedroschen" hat, bin ich angenehm überrascht, dass man jetzt auch ihn zu Worte kommen lässt. Unglaubliche Häme, Diffamierungen, Beleidigungen, Parteiausschlussverfahren und vieles mehr musste und muss der Bundeskanzler a. D. über sich ergehen lassen. Schröder hält mit Recht der jetzigen SPD-Parteiführung den Spiegel vor. Denn die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen sind ein Desaster für die SPD. Er hat vollkommen recht, wenn er den Schmusekurs seiner Partei mit den Grünen kritisiert.

Hubert Klemenjak, Mindelheim

Altersstarrsinn

Am Beispiel Gerhard Schröder zeigt sich, warum eine Demokratie so gut ist: Sie kann sich ihrer Herrscher entledigen, ehe diese in den Altersstarrsinn verfallen. Herr Schröder war in seiner Kanzlerschaft großartig. Aber warum ist es für ihn so unvorstellbar gewesen, danach wieder wie vorher als Rechtsanwalt zu arbeiten? Gerhard Schröder scheint von seinem erworbenen Macht-Ego nicht mehr heruntergekommen zu sein.

Herr Schröder verweigert sich offenkundig der These, dass er für Putin möglicherweise nur ein nützliches Werkzeug war. Außerdem verweigert er sich der Möglichkeit, die große Abhängigkeit von russischem Gas im Nachhinein als Fehler zu sehen. Und er wirkt arg verwirrt, wenn er Privates und Politik offenbar getrennt sehen will, aber in Moskau und Kiew in einer halbprivaten Friedensmission zusammen mit seiner Frau versucht hatte, noch mal richtig den Weltmann zu spielen. Ohne Erfolg.

Wolfgang Müller, München

Mutige Hartz-IV-Reform

Schröder hat vieles richtig gemacht und Anerkennung verdient. Die Hartz-IV-Reform war mutig und dringend notwendig. Ältere Arbeitnehmer nutzten in kollusivem Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern die Sozialversicherung, um sich den Ausstieg aus dem Erwerbsleben zur frühen Unzeit bezahlen zu lassen. Mit Hartz IV stieg die Mobilisierungsrate älterer Arbeitnehmer in neue Beschäftigung wieder drastisch. Anstatt diesen historischen Erfolg zu feiern, halbherzige Distanz bei den Genossen, halbherzig deshalb, weil Arbeitsminister Hubertus Heil und Co. nicht im Ernst daran denken, diese Reform wieder rückgängig zu machen.

In Sachen Ukraine wünsche ich mir ein klares Bekenntnis unseres Altkanzlers zum Selbstbestimmungsrecht und zur Gewaltfreiheit. Ob dies allerdings Putin beeindrucken würde, darf bezweifelt werden. Und dass am Ende der Kompromiss, den sich Schröder vorstellt, der Weg zur Beendigung der Kämpfe ist, ist auch nicht unwahrscheinlich. Säße er dann wieder bei den Genossen in der ersten Reihe?

Eckhard David, Hannover

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