Viele Arbeitnehmer blicken dieser Tage mit Spannung auf ihren Gehaltszettel. Meist mit dem November- oder Dezembergehalt wird das Weihnachtsgeld ausbezahlt. In der Regel gibt es ein Brutto- Monatsgehalt, das von vielen für die Geschenke unter dem Christbaum eingeplant ist. Doch manche Chefs setzen den Rotstift an und streichen das Zuckerl zum Fest ganz, zahlen weniger als im vergangenen Jahr oder nur einigen Kollegen, während andere leer ausgehen - nicht immer zu Recht.
Einen grundsätzlichen Anspruch auf Weihnachtsgeld gibt es nicht. Ob Mitarbeiter den Bonus erhalten, hängt in erster Linie von der Regelung in ihrem Arbeitsvertrag ab. Auch Betriebsvereinbarungen oder ein für sie geltender Tarifvertrag können das Extra zusprechen. Steht dort nichts drin, gibt es auch nichts. Umgekehrt gilt: Sieht die entsprechende Regelung die Zahlung von Weihnachtsgeld vor, kann der Arbeitgeber nicht einseitig bestimmen, dass seine Mitarbeiter in diesem Jahr weniger oder nichts erhalten, er ist an die Vereinbarung gebunden.
Von dem Grundsatz "ohne ausdrückliche Regelung kein Geld" gibt es jedoch zwei Ausnahmen. Hat der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum - die Rechtsprechung geht von mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren aus - vorbehaltlos Weihnachtsgeld in gleicher Höhe bezahlt, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein, ist eine "betriebliche Übung" entstanden. "Die Mitarbeiter haben dann einen Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeld", erklärt Rechtsanwalt Michael Felser aus Brühl bei Köln.
Die zweite Abweichung: Der Arbeitgeber darf keinen Mitarbeiter grundlos von der Zahlung ausnehmen. So darf er etwa nicht einem Kollegen den Bonus verweigern, weil er als aufmüpfig gilt, während alle anderen ihn erhalten. Auch Teilzeitkräfte dürfen nicht ausgeschlossen werden.
"Der Arbeitgeber darf den Bonus aber beispielsweise an die Dauer der Betriebszugehörigkeit knüpfen oder Mitarbeiter mit einem übertariflichen Gehalt von der Zahlung ausnehmen", sagt der Arbeitsrechtsexperte. Auch die Höhe der Fehlzeiten oder die Leistung des Mitarbeiters könnten laut Felser legitime Anknüpfungspunkte sein. Der Arbeitgeber muss dazu allerdings transparente Regeln aufstellen. Gibt es einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung, kann auch die Höhe des Weihnachtsgeldes für einzelne Arbeitnehmer variieren.
Fällt das Weihnachtsgeld dem Rotstift zum Opfer, weisen manche Chefs auf den Arbeitsvertrag hin. Dort findet sich mitunter die Klausel: "Die Zahlung erfolgt freiwillig und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft." Das ist schlecht für den Mitarbeiter, denn: "Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist in der Regel wirksam und berechtigt den Arbeitgeber, das Weihnachtsgeld zu verweigern oder im Vergleich zum Vorjahr zu kürzen", sagt Rechtsanwalt Manfred Schmid aus der Münchner Kanzlei M Law Group.
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Genau hinsehen sollten Arbeitnehmer auch bei sogenannten Widerrufsklauseln. "Während der Freiwilligkeitsvorbehalt einen Anspruch gar nicht erst entstehen lässt, gibt es beim Widerrufsvorbehalt zunächst einen Anspruch, den soll der Arbeitgeber aber widerrufen können", sagt Schmid. Damit die Belegschaft nicht der Willkür der Chefetage ausgesetzt ist, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Widerrufsvorbehalt an strenge Voraussetzungen geknüpft. "Damit die Regelung wirksam ist, muss sie unter anderem erkennen lassen, aus welchem Grund der Arbeitgeber die Zahlung widerrufen kann, also etwa wegen eines negativen Unternehmensergebnisses", sagt Schmid. "Dieser Grund muss dann auch tatsächlich vorliegen."
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Arbeitnehmerfreundlich entschied das BAG im Jahr 2008 auch im Falle einer Klausel, die sich so oder so ähnlich jahrelang in fast sämtlichen im Handel erhältlichen Arbeitsverträgen fand: "Das Weihnachtsgeld stellt eine freiwillige und stets widerrufliche Leistung dar." Schmid: "Diese Kombination aus Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt ist laut Gericht irreführend und damit unwirksam." Will sagen: Der Mitarbeiter kann auf der Zahlung bestehen.
Kopfzerbrechen bereitet vielen Beschäftigen die Frage, ob sie Weihnachtsgeld erhalten, wenn sie die Firma im Laufe des Jahres verlassen. Hier kommt es entscheidend darauf an, ob die Sonderzahlung als 13. Gehalt oder als Weihnachtsgeld gewährt wird. Auch wenn beide Begriffe oft synonym benutzt werden, besteht juristisch ein Unterschied. "Wird im Arbeitsvertrag ein 13. Gehalt vereinbart, ist die Sonderzahlung Bestandteil des Jahresgehalts. Damit soll ausschließlich die erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden", betont Rechtsanwalt Felser. "Für die Zeit, in der ein Mitarbeiter gearbeitet hat, kann er daher, soweit nicht anders vereinbart, eine anteilige Zahlung verlangen." Ein Mitarbeiter, der zum 30. Juni kündigt, erhält also die Hälfte. Werde laut Felser dagegen ein "Weihnachtsgeld" versprochen, soll die Sonderzahlung auch die Betriebstreue belohnen. Wer dem Unternehmen untreu wird, gehe somit leer aus.
Auf Jobwechsler wartet mitunter noch eine andere unliebsame Überraschung. Nicht zuletzt um Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, verwenden viele Arbeitgeber nämlich sogenannte Rückzahlungsklauseln: Der Mitarbeiter soll den weihnachtlichen Geldsegen zurückgeben, wenn er das Unternehmen im kommenden Jahr verlässt.
Zum Schutz der Arbeitnehmer hat die Rechtsprechung auch hier die Grenzen klar abgesteckt: "Beträgt das Weihnachtsgeld unter 100 Euro, darf es überhaupt nicht zurückgefordert werden", sagt Schmid. Bei Beträgen von 100 Euro bis zu einem Monatsgehalt sei eine Rückzahlung dagegen zulässig, wenn der Mitarbeiter vor dem 31. März des Folgejahres ausscheide. Gebe es mehr als ein Monatsgehalt, könne der Chef die Sonderzahlung zurückfordern, wenn der Mitarbeiter vor dem 30. Juni des Folgejahres seinen Hut nimmt.
Verwunderlich ist das nicht, kann man doch auch hier wieder die Betriebstreue ins Feld führen. Doch wie treu ist jemand, der durch Elternzeit, Wehrdienst oder monatelange Krankheit mit Abwesenheit glänzt? Treu genug - zumindest beim echten Weihnachtsgeld. "Eine Kürzungsmöglichkeit kann zwar vereinbart werden. Gibt es eine solche jedoch nicht, darf der Chef das Sahnehäubchen nicht streichen", erklärt Felser. Beim 13. Gehalt ist das anders. Felser: "Hier wird ausschließlich die Arbeitsleistung belohnt. Mitarbeiter können für die Zeit, in der sie nicht gearbeitet haben, auch nicht mit einer Zahlung rechnen."