Unternehmen im Wandel:Projektteams sind die neuen Abteilungen

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Abteilungen waren früher, heute arbeiten immer mehr Firmen projektorientiert. Der Projektmanager führt die Teams und ist dabei zugleich Schlichter und Gestalter. Gesicherte Karrierepfade haben viele Unternehmen für diese Menschen aber noch nicht zu bieten.

André Boße

Die Türme stehen, die meisten der gewaltigen Flügel drehen sich schon, ein Surren liegt über der Landschaft. Falko Büsing weiß, dass es bald geschafft ist. "Wir halten den Termin: Ende des Jahres können wir die Anlage übergeben." Dann läuft hier im Hunsrück auf dem Gebiet der Verbandsgemeinde Kirchberg der leistungsstärkste Windpark im Südwesten Deutschlands: 125 Millionen Kilowattstunden Strom soll der Windpark erwirtschaften - genug, um 35.000 Drei-Personen-Haushalte zu versorgen. So viele Einwohner hat die Gemeinde gar nicht, sodass sie den Überschuss verkaufen kann. Das bringt Geld und ist gut für den Ruf. Falko Büsing lächelt: Alle sind zufrieden. Er hat seinen Job gemacht.

Immer mehr Firmen arbeiten heute projektorientiert. Der Projektmanager führt die Teams und ist dabei zugleich Schlichter und Gestalter. (Foto: iStockphoto)

Der 28 Jahre alte Diplom-Umwelttechniker ist Projektmanager bei Juwi, einem Entwickler für Projekte zur Gewinnung erneuerbarer Energien. Das Unternehmen aus Wörrstadt bei Mainz plant und baut Wind- und Solarkraftwerke - und es wächst rasch. Im Jahr 2000 arbeiteten weniger als 75 Leute für die Firma, 2011 sind es weltweit 1400, derzeit werden es jeden Monat 50 mehr.

Damit Juwi das schnelle Wachstum verkraftet, hat das Unternehmen Anfang 2011 seine Struktur geändert: An den Schalthebeln sitzen jetzt 30 Projektmanager, die Projekte wie den Windpark eigenverantwortlich betreuen - von der ersten Standortanalyse bis zur finalen Übergabe. "Wir haben tatsächlich den Hut auf", sagt Büsing. "Wir stellen das Projektteam mit bis zu acht Leuten zusammen, steuern und koordinieren es."

Der Auftrag: Jedes Projekt möglichst schnell und effizient abwickeln. Kommt es zu größeren Verzögerungen oder steigen die Kosten unverhältnismäßig, steht der Projektmanager dafür gerade. Das Jobprofil ist daher kaum mit dem vergleichbar, was Ingenieure und Techniker in vielen anderen Unternehmen zu leisten haben. Eigenbrötler, die isoliert an technischen Superlativen tüfteln, jedoch kaum in der Lage sind, einem Normalsterblichen den Sinn und Zweck ihrer Entwicklung zu erklären, sind hier fehl am Platz. "Kommunikation ist das A und O meines Jobs", sagt Büsing.

Er steht nicht nur im ständigen Austausch mit den Experten in seinem Team, sondern schaut ihnen auch kritisch auf die Finger: "Es gehört dazu, ihre Analysen und Einschätzungen zu hinterfragen, sobald ich denke, dass an dieser oder jenen Stelle Verbesserungen möglich sind." Die Experten - oft erfahrene Leute - nehmen es in der Regel sportlich: "Die meisten fühlen sich nicht in ihrer Eitelkeit verletzt, sondern betrachten meine Nachfragen als zusätzlichen Ansporn." Dennoch: Ein Projektmanager muss sich trauen, auch mal unbequem und fordernd aufzutreten. "Mir hilft es in solchen Momenten, immer an das große Ganze und meine Eigenverantwortung zu denken", sagt Büsing.

Ein funktionierendes Team ist jedoch nur die halbe Miete. Juwi plant seine Anlagen nicht im Niemandsland, und wer Windparks errichtet, bekommt es mit vorsichtigen Banken, skeptischen Bürgern und zwiegespaltenen Kommunalpolitikern zu tun. Der Projektmanager muss mit allen Parteien ins Gespräch kommen. Er muss begeistern und überzeugen, kritische Stimmen ernstnehmen und Kompromisse erarbeiten.

In Kirchberg etwa ging es darum, ein Modell zu erarbeiten, mit dem die Gewinne des Windparks fair unter den Ortsteilen der Verbandsgemeinde zu verteilen sind", sagt er. So ist der 28-Jährige oft auch Moderator und Schlichter, und da er in der Regel drei Projekte gleichzeitig betreut, besteht an Herausforderungen und Abwechslung kein Mangel.

Berufe mit Zukunft
:Karriere, wir kommen

Jeder will einen guten Job - auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Doch wer in Zukunft eine feste Stelle sucht, sollte die richtige Ausbildung haben. Zehn Berufsfelder mit Perspektive.

Wie facettenreich dieser Job ist, weiß auch Anke Heines. Als Gründerin der Beratungsfirma Pentamino hilft sie Unternehmen dabei, effiziente Projektstrukturen aufzubauen. "Im Grunde sind Projektmanager Unternehmer auf Zeit", sagt sie. "Sie koordinieren das Fachwissen der Experten und bewerten, was nötig ist, um das Projekt voranzubringen. Dafür brauchen sie Führungsqualitäten sowie Geschick beim Verhandeln und Delegieren." Heines beobachtet, dass immer mehr Unternehmen projektorientiert arbeiten - mit Blick auf die heutigen Märkte ein zwingender Schritt. "Die Linienstruktur mit ihren Abteilungen und Fachbereichen stammt aus einer Zeit, als in Deutschland vorwiegend produziert wurde." Ihre Stärke seien vor allem Pauschallösungen, doch die bringen die Unternehmen nicht mehr weiter. "Was deutsche Firmen heute stark macht, sind innovative und kreative Ideen, und die entwickeln sich nun einmal besser in Projektteams als in Abteilungen."

Der Projektmanager besitzt in diesen Teams zwar eine Führungsposition, allwissend muss er aber nicht sein. "Je größer die Teams sind, desto unwichtiger ist es, dass er fachliche Expertise mitbringt", sagt die Beraterin. Immer wichtiger werde dagegen der Umgang mit maßgeschneiderten Software-Lösungen: "Ohne IT geht es nicht. Wenn ein Unternehmen viele Projekte an diversen Standorten entwickelt, müssen die Daten auf kluge Art und Weise gesammelt, geordnet und bewertet werden. Sonst geht schnell die Übersicht verloren."

Die Anforderungen an Projektmanager lassen sich also bereits beschreiben. Gesicherte Karrierepfade jedoch haben viele Unternehmen noch nicht zu bieten. Heines schätzt, dass in Deutschland derzeit etwa zehn Prozent der Unternehmen eine Projektkultur haben; viele andere sind auf dem Weg dorthin. Diese Arbeitgeber wissen, dass sie Projektmanager benötigen, doch eine eindeutige Einordnung in die Unternehmenshierarchie fehlt oft noch. "Entscheidend für die Karriereperspektive ist, ob das Unternehmen Projektarbeit als notwendiges Übel betrachtet oder tatsächlich in eine neue Struktur investieren möchte", sagt Heines und rät Einsteigern, früh die richtigen Fragen zu stellen: Wie ist der Projektmanager in der Hierarchie verankert, welche Aufstiegschancen hat er? Welche Weiterbildungen sind möglich, welche Benefits gibt es für erfolgreiche Arbeit?

Über einen wichtigen Vorteil seines Jobs muss Falko Büsing nicht lange nachdenken. "Ich kann meine Arbeitsergebnisse jederzeit besuchen." Es werde ihn stolz machen, wenn in Kirchberg der Strom fließt. Aber lange aufhalten kann er sich damit nicht. Die nächsten Projekte warten schon.

© SZ vom 03.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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